Ghulam Nabi betreibt einen kleinen Saftstand nahe der berühmten Blauen Moschee von Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der nordafghanischen Provinz Balkh. Das Geschäft läuft gut. Tagtäglich besuchen zahlreiche Menschen die Moschee und das Mausoleum, in dem Ali, der Vetter und Schwiegersohn des islamischen Propheten Mohammad begraben sein soll. Im Anschluss kommen viele zu Nabi, um einen frischen Orangen- oder Granatapfelsaft zu trinken.
Der Saftverkäufer kann sich nicht beschweren, auch nicht über die Sicherheitslage. „Vor einigen Tagen gab es hier Probleme. Doch die wurden zum Glück schnell gelöst“, meint er. Die Ereignisse haben nichts mit den Taliban oder anderen aufständischen Gruppierungen zu tun. Stattdessen geht es um jene Scharmützel, die sich vor wenigen Wochen die Truppen von Präsident Ashraf Ghani mit Anhängern von Noor Mohammad Atta, dem ehemaligen Gouverneur der Provinz Balkh, lieferten. Sie sind Ausdruck eines sich zuspitzenden inner-afghanischen Machtkampfes, in dem sich zwei Seiten gegenüberstehen: auf der einen Seite die amtierende, vorwiegend mit Technokraten besetzte Regierung, die wenig Rücksicht auf traditionelle Machtstrukturen nimmt; auf der anderen Seite Kriegsfürsten wie Atta, die skrupellos ihre Macht zu sichern versuchen.
Hintergrund des Konflikts ist die vor einem Jahr getroffene Entscheidung der afghanischen Regierung, den Posten des Gouverneurs von Balkh neu zu vergeben.