Ausgabe Dezember 2023

Narrative der Entmenschlichung

Der Terror der Hamas und das Versagen der dekolonialen Linken

Das Flüchtlingsschiff Exodus im Hafen von Haifa, 22.3.1947 (Frank Shershel / Israeli Government Press Office)

Bild: Das Flüchtlingsschiff Exodus im Hafen von Haifa, 22.3.1947 (Frank Shershel / Israeli Government Press Office)

Schon vor dem barbarischen Angriff der Hamas am 7. Oktober war es schwierig, im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern einen Friedensschluss zu erreichen. Nun scheint dies fast unmöglich, aber der Kern des Problems ist klarer denn je: Am Ende muss es Verhandlungen um einen sicheren israelischen Staat neben einem sicheren palästinensischen Staat geben. Wie auch immer man auf die enorme Komplexität und großen Herausforderungen dieser möglichen Zukunft schaut, eine Wahrheit sollte unter anständigen Menschen offensichtlich sein: 1400 Menschen[1] zu töten und mehr als 200 weitere zu entführen, darunter zahlreiche Zivilisten, war ganz eindeutig falsch. Der Angriff der Hamas ähnelte einem mittelalterlichen Überfall mongolischer Horden, die auf Abschlachten und menschliche Trophäen aus sind – nur in Echtzeit aufgenommen und auf sozialen Medien ausgestrahlt.

Und doch haben seit dem 7. Oktober westliche Akademiker, Studenten, Künstler und Aktivisten die Morde einer terroristischen Sekte, die ein antijüdisches, völkermörderisches Programm vertritt, abgestritten, entschuldigt oder sogar gefeiert. Zum Teil geschieht dies offen, zum Teil hinter einer Maske von Humanität und Gerechtigkeit, zum Teil kodiert, besonders prominent in der Phrase „Vom Fluss bis zum Meer“, die einen erstarren lässt, weil sie implizit die Ermordung oder Vertreibung von neun Millionen Israelis unterstützt.

»Blätter«-Ausgabe 12/2023

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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