Ausgabe Januar 2024

Die Tories vor dem Aus?

Camerons Rückkehr und das Elend Rishi Sunaks

Der britische Premierminister vor der 10 Downing Street in London, 6.12.2023 (IMAGO / ZUMA Wire / Tejas Sandhu)

Bild: Der britische Premierminister vor der 10 Downing Street in London, 6.12.2023 (IMAGO / ZUMA Wire / Tejas Sandhu)

Es war sicher nicht die Botschaft, die Rishi Sunak beabsichtigt hatte, als er Mitte November mit einem Überraschungscoup David Cameron zum Außenminister berief; doch selbst seine sonst eher milden Kritiker beschrieben diesen Schachzug bald als taktischen Fehler und weiteren Meilenstein auf dem Weg zum baldigen Ende der Tories als dominanter politischer Kraft in Großbritannien. Allein die Tatsache, dass Camerons Rückkehr im ersten Moment noch als Renaissance kompetenter konservativer Politik bejubelt wurde, zeigt bereits, wie tief die Partei in den Jahren seit dem Brexit gefallen ist. Die Ernennung ausgerechnet desjenigen Ex-Premiers, der den Briten mit seiner leichtfertigen Spielernatur den Brexit überhaupt beschert hat, demonstriert aber vor allem, wie außerordentlich konfus und planlos Sunak mittlerweile durch die politische Landschaft irrt.

Angetreten war Sunak vor einem Jahr als Pragmatiker. Gleich am ersten Tag versprach er die Rückkehr zu politischer Vernunft und moralischer Integrität. Das Versprechen mag ernst gemeint gewesen sein, eingelöst hat er es nicht. Im Gegenteil: Schon wenige Tage später berief er die am ganz rechten Rand irrlichternde Suella Braverman zur Innenministerin, um die Brexiteers in der Partei zu befrieden. Damit aber blieb dieser Flügel weiter die treibende Kraft innerhalb der Partei, befeuert von einer Parteibasis, die dessen Protagonisten regelmäßig bejubelt. Denn hier ist man weiter der Meinung, der Brexit sei nicht grundsätzlich gescheitert, die ihm innewohnenden Chancen seien stattdessen nur nicht richtig genutzt worden. Eine Argumentation, die nicht zufällig an Begründungsschleifen aus der späten Zeit des real existierenden Sozialismus erinnert, was die Hardliner in der Tory-Partei aber nicht daran hindert, ihr gescheitertes Projekt umso wütender zu verteidigen. Sunak aber scheint auch nach einem Jahr weder die Kraft noch den Willen zu haben, sie zum Schweigen zu bringen. Stattdessen folgt er ihnen – ganz in der Tradition Boris Johnsons – auch dann, wenn sie sich dabei immer weiter von der faktischen Realität und den Fundamenten des britischen Rechtsstaats entfernen.

Das eklatanteste Beispiel hierfür ist Bravermans umstrittene Ruanda-Politik, die vorsieht, auf der Insel ankommende Asylbewerber direkt nach Kigali zu deportieren, um sie dann dort dem guten Willen der jeweiligen Machthaber zu überlassen. Eine Idee, die, so wie sie in Westminster ausgearbeitet wurde, nicht nur gegen den britischen Human Rights Act verstößt, sondern auch gegen alle internationalen Menschenrechtskonventionen. Die Berufung Camerons, die mit der Entlassung der zunehmend eigenmächtig handelnden Innenministerin einherging, erschien den wenigen verbleibenden „Centrists“ in der Partei daher zunächst als Hoffnungsschimmer, als mögliche Rückkehr zu einer im konventionellen Sinne konservativen Regierungsarbeit. Doch die Freude währte nicht lang.

Als das oberste britische Gericht, der Supreme Court, nur zwei Tage später die „Ruanda Policy“ in einem vernichtenden Urteil für illegal erklärte, lag vor Sunak die einmalige Chance, sich von dieser von Anfang an zum Scheitern verurteilten Idee, und damit auch vom zynischen Rechtspopulismus der Johnson-Ära, endgültig zu verabschieden.[1] Aber es kam anders: Sunak legte stattdessen nach und erklärte schon am nächsten Tag, er werde jetzt ein Notfallgesetz präsentieren, das Ruanda dann eben einfach zu einem sicheren Land erklären würde. Daran zeigt sich: Die Cameron-Personalie, die in der Partei völlig vorhersehbar vor allem den rechten Flügel bis aufs Blut provoziert hatte, musste offenbar wieder taktisch ausgeglichen werden.

Camerons Opportunismus

Cameron jedenfalls verbindet mit dem Amt des Außenministers ganz offensichtlich andere Interessen, als seinen Nachfolger Sunak von der schiefen Bahn der Johnson-Jahre abzubringen. Was nicht überraschend ist, denn auch wenn Cameron die Tory-Partei in seiner Zeit als Premier zu modernisieren versuchte: Letztlich blieb er immer opportunistisch in der Defensive, wenn es um die Kernthemen des rechten Flügels seiner Partei ging, ganz besonders beim Verhältnis zur EU. Das Brexit-Referendum verkündete er 2015 bekanntermaßen aus dem einzigen Grund, um an dieser Front Ruhe zu haben, in dem naiven Glauben, es werde schon nicht zum Austritt kommen, und danach sei das Thema erledigt. Eine Rechnung, die nicht so ganz aufging, wie wir heute wissen.

Einer der Gründe für Camerons fatale Fehleinschätzung damals war die massive Unzufriedenheit der Briten mit seiner harten Sparpolitik, die zu ex-tremen Kürzungen nicht nur im Gesundheitswesen, sondern in allen staatlichen Einrichtungen führte. Das Versprechen der Brexiteers, diese Missstände mit dem EU-Austritt wieder rückgängig zu machen, gilt im Rückblick als einer der zentralen Faktoren für den EU-Austritt.

Dass Sunak mit Cameron nun ausgerechnet den Mann zurückbrachte, der für diese den Brexit befeuernde Austeritätspolitik stand, ist insofern folgerichtig, als Sunak genau diesem Kurs wieder folgt, seit er sein Amt angetreten hat. Hier unterscheidet er sich von Boris Johnson, der als „Vote Leave“-Kandidat auch nach 2016 weiter versprochen hatte, das Gesundheitssystem und die ausgebluteten staatlichen Institutionen wiederherzustellen, auch wenn er, einmal an der Macht, nie wirklich versuchte, das auch umzusetzen. Sunak hingegen, der nach dem finanzpolitischen Desaster der kurzen Liz-Truss-Zeit vor allem die Märkte wieder beruhigen musste, machte gleich zu Beginn seiner Zeit an diesem Punkt eine Kehrtwende Richtung Austeritätspolitik und füllte auch sonst sein Kabinett zunehmend mit ähnlich denkenden Figuren. Für die vielen Wähler aber, die den Brexit und die Tories unter Johnson gewählt haben, um die Folgen genau dieser rigiden Sparpolitik zu beenden, ist das nicht nur verwirrend, sondern letztlich ein Schlag ins Gesicht. Die Umfrageergebnisse spiegeln das. Nach einem kurzen Aufschwung ganz zu Beginn seiner Zeit konnte Sunak den kontinuierlichen Niedergang der Tory-Partei in der Wählergunst nicht mehr stoppen, im Gegenteil; seit einigen Monaten liegt die oppositionelle Labour-Partei mehr als 20 Prozentpunkte vor den Tories. In seiner eigenen Partei sieht es für Sunak noch schlechter aus, hier ist er mittlerweile sogar unbeliebter als Liz Truss.[2]

Denn durch Sunaks Kehrtwende leiden die Briten jetzt nicht nur an den wirtschaftlichen Folgen des Brexit, sondern auch unter den Folgen seiner erneuten Sparpolitik. Die Steuern sind so hoch wie seit 70 Jahren nicht,[3] dennoch warten mehr als 7,7 Millionen Menschen auf einen Krankenhaustermin, Schulgebäude im ganzen Land müssen evakuiert werden, da sie über den Köpfen der Schüler zusammenzubrechen drohen, und der Justizminister überlegt, Gefängnisse auf dem europäischen Kontinent anzumieten, da die eigenen völlig überfüllt und in einem derart schlechten Zustand sind, dass deutsche Gerichte zuletzt eine Auslieferung britischer Straftäter ins Vereinigte Königreich aus humanitären Gründen abgelehnt haben.[4] Einer im Dezember veröffentlichten großen Studie der renommierten Resolution Foundation zufolge sind die Briten im Schnitt 18 Prozent ärmer als die Deutschen oder Franzosen, die Schere zwischen Arm und Reich geht so weit auf wie in keinem anderen europäischen Land.[5]

Schlechte Wirtschaftsaussichten und der Kleinmut der Labour Party

Erschwerend hinzu kommen außerordentlich dürftige Prognosen, was das Wirtschaftswachstum angeht. Für 2023 erwartet das unabhängige Steuerschätzungsinstitut OBR gerade mal 0,7 Prozent, für die nachfolgenden Jahre sind die Prognosen kaum besser.[6] Zwar sehen die Wachstumsvorhersagen für vergleichbare Länder auf dem europäischen Kontinent nach der Pandemie und dem Kriegsbeginn in der Ukraine auch nicht wesentlich rosiger aus; der entscheidende Unterschied in Großbritannien aber bleibt der Brexit, der die britische Wirtschaft über die nächsten Jahre zunehmend und dauerhaft schwächen wird.[7]

Nun könnte man annehmen, dass Keir Starmer, der Chef der oppositionellen Labour-Partei im kommenden Wahlkampf mit diesen eindeutig auf dem Tisch liegenden Fakten punkten würde, zumal er 2016 gegen den EU-Austritt war. Danach sieht es aber vorläufig nicht aus. Einen Wiedereintritt in den EU-Binnenmarkt schloss Starmer bereits im Sommer 2022 kategorisch aus. Und das, obwohl mittlerweile eine klare Mehrheit der potentiellen Labourwähler der Meinung ist, dass der Brexit ein Fehler war und „rejoin“, also der Wiedereintritt in die EU, der richtige Weg sei.[8]

Starmers Kalkül ist einfach: Solange er und seine Partei in den Umfragen derart weit vorne liegen, versucht er diesen Vorsprung durch nichts zu gefährden. Schon gar nicht durch Äußerungen, die es den Tories und der überwiegend auf ihrer Seite wahlkämpfenden britischen Presse möglich machen würden, mit faktenverzerrenden Kampagnen neue Fronten aufzumachen. Gerade das Brexit-Thema würde sich dafür hervorragend eignen, böte es doch Sunak zusätzlich die Chance, seine Partei geeint auf Starmer als unpatriotischen „Rejoiner“ loszulassen. Stattdessen hält Labour vorerst weiter an seinem Slogan „We will make Brexit work“ fest. Das mag strategisch klug sein, weil das Spotlight so stattdessen auf die von den Tories nie eingehaltenen Versprechen gelenkt wird. Der Nachteil dieser Strategie liegt aber genauso auf der Hand: Sieben Jahre nach dem EU-Austritt bleiben dessen wirtschaftliche Schäden immer noch tabu und damit weiter ungelöst. Und selbst im Falle eines klaren Wahlsiegs im nächsten Jahr, wofür derzeit (noch) vieles spricht, fehlt Labour damit das Mandat für eine radikale Kehrtwende in der EU-Politik. Hier ist in den ersten Jahren zwar ein neuer, kooperativerer Ton zu erwarten, in der Sache wird Labour aber kaum über kleinteilige Annäherungen im Rahmen des bestehenden Brexit-Deals hinauskommen. Zwar kann man hier zu Recht sagen, das sei auf absehbare Zukunft ohnehin keine Perspektive, da die EU derzeit andere Sorgen hat, als sich mit einem möglichen Wiedereintritt des Vereinigten Königreichs zu beschäftigen. Das eigentliche Problem für die Labour-Partei aber bleibt: Ohne auch nur die Aussicht auf einen Wiedereintritt in den Binnenmarkt wird Starmer das britische Wirtschaftswachstum nicht wesentlich ankurbeln und so weder das marode britische Gesundheitssystem noch die überfüllten Gefängnisse oder zerbröselnden Schulgebäude reparieren können.

Insofern ist es zwar redlich, wenn Starmer den Briten bislang wenig verspricht und sie stattdessen auf harte Zeiten einschwört. Enthusiasmus verbreitet er damit aber nicht, was auf der an dramatischen Politzirkus gewöhnten Insel durchaus riskant sein kann, zumal Sunak die Wahlen theoretisch noch bis zum Januar 2025 hinauszögern kann, und ein Jahr ist bekanntermaßen eine lange Zeit in der britischen Politik.

Jenseits des taktischen Risikos dieser Defensivstrategie aber zahlt das Land auch politisch einen hohen Preis für Starmers Umgang mit dem Rechtspopulismus der Tories. Indem er ihren Fallen ausweicht, kann er nämlich auch sonst den falschen, die Realität verzerrenden Narrativen der Sunak-Regierung nicht offen entgegentreten. Damit werden in der öffentlichen Diskussion zunehmend auch fundamentale Werte der liberalen Demokratie zur Disposition gestellt, ohne dass Starmer dies wirklich thematisieren kann.

Ein hoher Preis für Großbritannien

Das aktuellste Beispiel hierfür ist die allerletzte Volte des Ruanda-Projekts. Als Sunak Anfang Dezember sein oben schon erwähntes neues Notfall-gesetz in dieser Sache vorstellte, rieben sich selbst bislang loyale Tories die Augen. Nachdem der Supreme Court klar entschieden hatte, dass Ruanda kein sicheres Land für Asylbewerber sei, da die Gefahr des sogenannten Refoulment bestehe (womit gemeint ist, dass Menschen von dort aus in Länder zurückgeschickt werden könnten, in denen ihr Leben gefährdet ist), behauptet Sunaks neuer Gesetzentwurf nun einfach das Gegenteil. Ein kurz zuvor getroffenes neues Abkommen mit Kigali, in dem sich das Land vage dazu verpflichtet, aus Großbritannien ankommende Asylbewerber nicht in ihre Heimatländer abzuschieben, dient als Beleg und Grundlage dafür. Ein gleich in doppelter Hinsicht absurdes Unterfangen: Einerseits argumentiert Sunak, Ruanda habe sich verpflichtet, internationalem Recht zu folgen, um so das Urteil des eigenen Supreme Courts zu unterlaufen; andererseits aber besteht er selbst auf dem Recht, internationale Vereinbarungen deshalb brechen zu dürfen, indem er an der englischen Küste ankommende Flüchtlinge direkt nach Ruanda deportieren will und ihnen damit das Menschenrecht auf Asyl als solches verwehrt wird. Der Entwurf sieht zudem vor, dass in dieser Frage kein Gericht mehr angerufen werden kann, ein verfassungsrechtlich höchst fragwürdiger Passus.[9] In einem Post auf X, dem früheren Twitter, erklärte Sunak entsprechend: „Unser Parlament ist souverän und in der Lage, Entscheidungen zu treffen, die kein Gericht mehr infrage stellen kann.“[10] Womit Sunak so ganz nebenbei die jeder liberalen Demokratie zugrundeliegende Gewaltenteilung außer Kraft zu setzen versucht. Nun hat Starmer zwar erklärt, die Ruanda-Politik der Tories so nicht weiterführen zu wollen, und stattdessen einen (bislang noch wenig realistischen) Rückführungsdeal mit der EU zu verhandeln. In grundsätzlichen Fragen aber weicht er auch hier weiterhin aus. Weder thematisiert er klar die Erosion rechtsstaatlicher Prinzipien, die unter den Tories eingesetzt hat, noch tritt er der Vermischung der Ruandapolitik mit der grundsätzlichen Frage legaler Migration entgegen.

Als Ende November öffentlich wurde, dass die britische Regierung im ersten Post-Brexit-Jahr 2022 nach der Abwanderung einiger Hunderttausend EU-Bürger Visa für mehr als doppelt so viele Immigranten aus außereuropäischen Ländern hatte vergeben müssen, die vor allem im Sozial- und Gesundheitswesen dringend gebraucht wurden, erklärte Starmer diese Zahlen für schockierend und führte sie auf ein Versagen der Tories zurück. Anstatt sachlich über die Gründe für die offenbar notwendige Rekordeinwanderung zu debattieren, übernimmt er im Windschatten der durch die Tories verursachten xenophoben Atmosphäre immer wieder deren Framing. Aufrichtig ist das nicht, und im Zweifelsfall verschärft er damit sogar die fremdenfeindliche Stimmung Einwanderern gegenüber. Ein möglicherweise ungewollter Nebeneffekt seiner Wahlkampftaktik, den er aber offenbar zulässt, um die Tories so immer tiefer in das Chaos ihrer internen Bürgerkriege abgleiten zu lassen. Das zumindest gelingt Starmer, wobei er billigend in Kauf nimmt, dass die Wiederherstellung liberaldemokratischer Politik im Falle eines Labour-Wahlsiegs dadurch umso schwieriger werden dürfte.

Denn Sunak hat, indem er den absurden Ruanda-Plan seines Vorgängers Johnson wiederauferstehen ließ, nach nur einem Jahr die tiefen Gräben der alten Brexit-Kriege in seiner Partei wieder weit aufgerissen. Statt einer Rückkehr zur Vernunft hat er sich in Johnsons zynische Konstrukte verstrickt, die als Ablenkungsmanöver, nicht als Lösung für bestehende Probleme gedacht waren. Gleichzeitig besitzt Sunak nicht das Charisma, um mit lautem Getöse darüber hinwegzutäuschen. Seine schwachen Versuche, dabei trotz allem einen rationaleren Politikstil zu pflegen, gehen damit im Geschrei seines rechten Flügels unter, der reflexhaft immer extremere Forderungen stellt, selbst nachdem Sunak mit seinen Kompromissangeboten bereits den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlassen hat. Womit Sunak seit David Cameron bereits der fünfte Tory-Premier ist, der am rechten Flügel der eigenen Partei scheitern und möglicherweise von ihm gestürzt werden könnte.[11]

Die Schuld an einer derzeit sehr wahrscheinlichen Niederlage der Tories bei den nächsten Wahlen wird aber, selbst wenn Sunak bis dahin gar nicht mehr im Amt ist, ganz sicher bei ihm und seinen jetzigen Mitstreitern wie David Cameron gesucht werden, also denjenigen, die noch eher dem Zentrum der alten konservativen Partei zuzuordnen sind. Eine weitere Radikalisierung in der Opposition und selbst eine Spaltung der Tories ist damit durchaus denkbar geworden, traditionell ein absolutes Tabu in der ehemals erfolgreichsten konservativen Partei Europas.

Insofern mag die Berufung David Camerons ins Kabinett zwar auf den ersten Blick wie eine Rückkehr zu alten Zeiten gewirkt haben, sie enthielt aber auch eine indirekte Warnung. War es doch Cameron gewesen, der als Premierminister 2015 als Erster nicht den Mut hatte, dem rechten Flügel seiner Partei offen die Stirn zu bieten, und mit seinem Appeasement-Versuch stattdessen nicht nur den Brexit auslöste, sondern auch die Selbstzerstörung der Partei erst richtig ins Rollen brachte. Wie passend, wenn David Cameron jetzt auch beim Auftakt zum allerletzten Akt mit am Tisch sitzen sollte.

[1] Es war immer klar, dass Ruanda maximal ein paar Hundert Asylbewerber aufnehmen können würde; Johnson hatte das gegen alle internationalen Vereinbarungen verstoßende Vorhaben aber bewusst inszeniert, um dann anschließend die Gerichte zum Sündenbock machen zu können.

[2] Archie Mitchel, Rishi Sunak’s popularity plunges to record low among Tory members, independent.co.uk, 4.12.2023.

[3] Stagnation Nation – Governing the UK when “there is no money”, ft.com, 20.11.2023.

[4] Diane Taylor, Germany refuses to extradite man to UK over concerns about British jail conditions, theguardian.com, 5.9.2023.

[5] Executive Summary: Ending Stagnation, economy2030.resolutionfoundation.org, 30.11.2023.

[6] Office for Budget Responsibility, Annual report and accounts 2022-23, obr.uk, 29.6.2023.

[7] „Our estimates indicate that the negative impact of Brexit gradually escalates, reaching some 5-6 per cent of GDP or about £2,300 per capita by 2035“, siehe Ahmet Ihsan Kaya u.a., Revisiting the effect of Brexit, niesr.ac.uk, 16.11.2023.

[8] Vgl. A delicious paradox for Sir John Curtice!: Labour‘s voters and attitudes to Brexit, youtube.com, 24.11.2023.

[9] Mark Elliott, The Rwanda bill and its constitutional implications, publiclawforeveryone.com, 6.12.2023.

[10] UK Prime Minister, twitter.com, 7.12.2023.

[11] Andy Gregory, Adam Forrest und Athena Stavrou, Rishi Sunak news – live: Stop „mad“ plotting against PM and back Rwanda plan, Tory rebels warned, independent.co.uk, 10.12.2023.

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