Ausgabe Januar 2021

Die USA unter Biden: Neue Hoffnung für Palästina?

Palästinenser tragen Bilder des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas während eines Protestes gegen den Deal der Vereinigten Arabischen Emirate mit Israel zur Normalisierung der Beziehungen, in Rafah im südlichen Gazastreifen, 20. August 2020 (imago images / ZUMA Wire)

Bild: Palästinenser tragen Bilder des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas während eines Protestes gegen den Deal der Vereinigten Arabischen Emirate mit Israel zur Normalisierung der Beziehungen, in Rafah im südlichen Gazastreifen, 20. August 2020 (imago images / ZUMA Wire)

Kaum stand Joe Biden als Sieger der US-Präsidentschaftswahl fest, wurde die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) aktiv und öffnete ihre diplomatischen Kanäle, die sie unter der Trump-Administration geschlossen hatte: Erste Kontakte zur kommenden US-Regierung wurden geknüpft, der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas reiste zu Gesprächen nach Jordanien und Ägypten. Auch nahm die PA die Zusammenarbeit mit Israel wieder auf, die sie im Mai als Reaktion auf Israels Annexionspläne eingestellt hatte. Das betrifft nicht zuletzt die Koordination der Sicherheit, denn die Autonomiebehörde kontrolliert die palästinensischen Gebiete mit Israel gemeinsam, wie in den Oslo-Abkommen von 1993 vorgesehen. Nun sollen auch die palästinensischen Zoll- und Steuergelder, die Israel für die PA eintreibt und die diese im Mai abgelehnt hatte, wieder fließen – immerhin rund 750 Mio. US-Dollar, die die PA dringend braucht, um ihre Angestellten wieder voll zu entlohnen und dem ökonomischen Zusammenbruch Einhalt zu gebieten. Nach drei Jahren Stillstand gibt es im Nahostkonflikt also wieder Bewegung.

Ende 2017 hatte die palästinensische Leitung sich aus allen Verhandlungen zurückgezogen. Damals offenbarte sich, dass Donald Trump stetig Fakten schuf, die Israels Dominanz über die besetzten palästinensischen Gebiete ausweiteten und eine Zweistaatenlösung immer unmöglicher machten: Trump ließ die PLO-Vertretung in Washington schließen und erkannte – in Missachtung internationalen Rechts – Israels Souveränität über die Golanhöhen sowie über Jerusalem als Israels Hauptstadt an, wohin er die US-Botschaft von Tel Aviv verlegte. Er stellte die Zahlungen an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) ein, dessen Budget, insbesondere unter dem Druck von Covid-19, mittlerweile fast aufgezehrt ist. Außerdem beendete er die Unterstützung der US Agency for International Development (USAID) in der Westbank und im Gazastreifen sowie für palästinensische Krankenhäuser. Der Anfang 2020 veröffentlichte US-Friedensplan („Deal of the Century“) sah darüber hinaus vor, dass Israel etwa 30 Prozent der palästinensischen Gebiete annektieren dürfe – tatsächlich handelte es sich also um einen „Steal of the Century“, wie die Herausgeber des „Israel-Palestine Journal“, Ziad Abu Zayyad und Hillel Schenker, kritisieren.[1]

Dieser Schritt konnte durch internationalen Druck im Frühsommer zwar einstweilen abgewendet werden. Der Preis dafür war jedoch, dass die Vereinigten Emirate, Bahrein und der Sudan im Oktober ihre Beziehungen zu Israel normalisierten – Saudi-Arabien könnte bald folgen.[2] Das ist ein Erfolg für Israels Stellung in der Region, der die Verhandlungsposition der Palästinenser jedoch weiter schwächt. Denn 2002 bot die Arabische Liga mit der „Arabischen Friedensinitiative“ (auch „Saudische Initiative“ genannt) Israel diplomatische Beziehungen zur arabischen Welt an, wenn es sich aus den 1967 besetzten palästinensischen und arabischen Gebieten vollständig zurückziehe.

Unter der Trump-Administration schritt dieser Normalisierungsprozess voran, jedoch ohne, dass noch von einem Rückzug Israels die Rede wäre. Vielmehr plant die Netanjahu-Regierung vor dem Machtwechsel in Washington rasch noch große Siedlungsprojekte auf palästinensischem Gebiet und zerstört Häuser von Palästinensern, um die Zweistaatenlösung zu torpedieren.[3] Bereits am Tag der US-Wahl, dem 3. November 2020, beseitigte die israelische Armee in der Gemeinde Khirbet Humsa im Jordantal 80 Unterkünfte und machte damit 74 Menschen, darunter 41 Kinder, obdachlos.[4]

Inoffiziell ist die schleichende Annexion schon lange ein Faktum. Mike Pompeo ließ es sich nicht nehmen, am 19. November als erster US-Außenminister überhaupt israelische Siedlungen zu besuchen und betonte, diese stellten für ihn keinen internationalen Rechtsbruch dar – eine Abkehr von jahrzehntelanger US-Politik. Er kündigte zudem neue Zollrichtlinien an, denen zufolge die in der von Israel verwalteten Zone der Westbank hergestellten Produkte künftig als israelisch gekennzeichnet werden sollen, gleichgültig, ob sie von Israelis oder Palästinensern produziert wurden.[5] Auch das verwischt die sogenannte Grüne Linie zwischen Israel und der Westbank.

2018 zogen sich die USA ferner aus dem gerade erst drei Jahre jungen Atomabkommen mit dem Iran zurück. Darauf hatte Netanjahu stets gedrängt. Das Ergebnis war allerdings kontraproduktiv: Der Iran hat seither so viel angereichertes Uran produziert, dass er vermutlich bald in der Lage ist, eine Atombombe zu bauen.[6] Die Ermordung von Irans wichtigstem Atomwissenschaftler, Mohsen Fakhrizadeh, am 27. November, ist Teil des Angriffs auf Irans Atomprogramm. Israel hat sich zu diesem Attentat offiziell nicht bekannt; die „New York Times“ zitierte indes einen leitenden israelischen Beamten, der anonym zu Protokoll gab, die Welt solle sich bei Israel dafür bedanken, dass dieser gefährliche Mann ermordet worden sei.[7] Biden hatte zu diesem Zeitpunkt bereits angekündigt, dem Atomabkommen wieder beitreten und die Verhandlungen mit Teheran vorantreiben zu wollen. Die Ermordung Fakhrizadehs dürfte dies erschweren, da Iran einstweilen wohl eher auf Vergeltung als auf Dialog aus sein wird. Biden steht somit vor der Herausforderung, das Vertrauen wiederherzustellen und den durch seinen Vorgänger angerichteten Schaden zu begrenzen. Der Nahe Osten dürfte für ihn zunächst jedoch kaum Priorität haben, stehen doch die amerikanische Innenpolitik und die Bekämpfung der Pandemie im Vordergrund.

Das Ringen um Selbstbestimmung – und um Frieden

Gleichwohl sind die Palästinenser zuversichtlich, dass einige der für sie katastrophalsten Entwicklungen gebremst werden. „Wir stehen weiterhin zur Arabischen Friedensinitiative von 2002 und hoffen, dass Präsident Biden sich dieser und den relevanten UN-Resolutionen widmen wird“, sagt Issa Kassissieh.[8] Der palästinensische Botschafter beim Vatikan ist stellvertretender Vorsitzender der PLO-Verhandlungsabteilung in Ramallah. Er vertritt den ehemaligen Chefunterhändler in den palästinensisch-israelischen Verhandlungen, Saeb Erekat, der am 10. November mit 65 Jahren an Covid-19 gestorben ist, nachdem er zwei Jahre zuvor eine Lungentransplantation überlebt hatte. Amerikaner und Israelis schätzten und fürchteten ihn als eloquenten, flexiblen und zugleich harten Verhandlungspartner; im Jahr 2015 hatte Abbas seinen Vertrauten zum Generalsekretär der PLO ernannt. Sein Tod ist ein erheblicher Verlust für die Palästinenser; als möglicher Nachfolger für Erekat gilt Präsident Abbas‘ diplomatischer Chefberater Majdi al-Khaldi.

„Es wäre ein wichtiges Signal, wenn die US-Administration die von Trump geschlossene PLO-Vertretung in Washington und das US-Konsulat in Ost-Jerusalem wieder öffnen würde“, sagt Interims-Unterhändler Issa Kassissieh. Er erinnert daran, dass sich die Obama-Administration 2016 bei der Abstimmung über die UN Resolution 2334 bezüglich der Illegalität israelischer Siedlungen auf palästinensischem Gebiet, inklusive Ost-Jerusalems, immerhin enthalten habe. Daran sollte Biden anknüpfen, denn die Siedlungen seien das größte Hindernis zur Selbstbestimmung der Palästinenser. „Die Zweistaatenlösung entlang der Grenzen von 1967 bleibt der einzige Weg, um Frieden in der Region zu erreichen“, so der Botschafter. Die palästinensische Führung setzt jetzt vor allem auf eine internationale Konferenz, um die Vermittlung eines Friedensprozesses breit zu verankern und so die Abhängigkeit von den USA zu verringern, an deren Neutralität es aus palästinensischer Sicht stets gemangelt hat. Eine solche schlug Präsident Abbas im September auf der UN-Generalversammlung vor.[9]

Afif Safieh, palästinensischer Diplomat für Sondermissionen, pocht darauf, zunächst zu analysieren, warum sämtliche Verhandlungsversuche seit den Oslo-Friedensvereinbarungen von 1993 gescheitert seien, um nicht wieder in die gleiche Sackgasse zu geraten. „Es war einer der größten Fehler, den verfeindeten Konfliktparteien am Ort zu viel zu überlassen, so dass Israels Regierung die asymmetrische Situation zu ihren Gunsten ausnutzen und das Tempo sowie die Bedingungen diktieren konnte“, sagt er.[10] Ein Vierteljahrhundert der Friedensverhandlungen habe die Besatzung nicht beendet, sondern laufend ausgebaut. Der Politikwissenschaftler kritisiert die „selbstauferlegte Impotenz der internationalen Gemeinschaft“, denn ohne deren aktive Rolle sei ein erneuter Friedensprozess nicht zielführend. „Wir brauchen jetzt weniger Prozess als internationalen Druck auf Israels Regierung“, ist der Fatah-Vertreter überzeugt. Safieh gehört zu jenen palästinensischen Kritikern, die auch intern auf Reformen pochen. 14 Jahre nach den letzten Wahlen müsse es in Palästina endlich einen politischen Dialog und Neuwahlen geben. „Wir brauchen außerdem eine Feminisierung der Politik, mehr Frauen in der Politik sowie junge Professionelle. Wir ältere Generation dürfen die Zukunft der jüngeren nicht weiter in Beschlag nehmen.“

Die PLO und das Streben nach Neuwahlen

In der UN-Generalversammlung wiederholte Präsident Abbas, endlich parlamentarische Wahlen sowie Wahlen für die Präsidentschaft unter Beteiligung aller politischen Parteien in die Wege leiten zu wollen. Dieser Schritt ist längst überfällig, denn Abbas‘ Mandat als Präsident ist bereits seit elf Jahren abgelaufen; PA und PLO sind sogar seit der Wahl der Hamas 2006 nicht mehr demokratisch legitimiert. Dabei war die PLO in ihren Anfangsjahren noch demokratisch aufgestellt; während der Ersten Intifada von 1987 bis 1993 konnte die palästinensische Bewegung die Bevölkerung durch einen breiten gesellschaftlichen Konsens mobilisieren. Im Zuge der Vereinbarungen von Oslo entstand die PA, um die palästinensischen Gebiete gemeinsam mit den israelischen Besatzungsorganen zu verwalten. Die PA war bald von internationalen Finanzhilfen abhängig, und um Arbeitsplätze und Loyalitäten zu schaffen, machte sie ihrerseits Fatah-Mitglieder durch die Vergabe von Posten von sich abhängig. Zugleich unterdrückte sie die politische Opposition in den eigenen Reihen, vor allem aber in anderen Fraktionen. Das beschädigte zunehmend demokratische Prozesse, behinderte die politische Mobilisierung und führte letztlich zu einer Entpolitisierung.

Die diversen palästinensischen Parteien, Institutionen, Gewerkschaften und Volkskomitees wurden ferner durch die wachsende Zahl international geförderter Nichtregierungsorganisationen verdrängt. Die PA, die lediglich die Palästinenser in der Westbank und in Gaza vertritt, erschien nun als alleiniger Partner für Verhandlungen – und als Partner für die Bewahrung des Status quo der Besatzung. Die PLO, einst die Vertretung aller Palästinenser, auch jener in der Diaspora, versank derweil in der Bedeutungslosigkeit. 2006 wählten die Bürger Gazas die islamistische Hamas an die Macht, frustriert und unzufrieden mit dem Oslo-Prozess, der ihre Freiheiten weiter einschränkte. Sowohl in der Westbank als auch im Gazastreifen agieren Fatah und Hamas „wie autoritäre Polizeistaaten“, schreibt Yara Hawari, Mitarbeiterin der NGO „Al-Shabaka: The Palestinian Policy Network“.[11] Ihre Kollegin Dana El Kurd betont, dass die Wahl von Hamas international durch Sanktionen gegen die PA beantwortet wurde. „Fatahs, von den USA gestützter Versuch, die Wahlergebnisse rückgängig zu machen, führte zur Trennung von Westbank und Gaza und einem de facto Ausnahmezustand in beiden Teilen der besetzten Gebiete.“[12] Beide Autorinnen schildern, wie Fatah die PA und PLO in der Westbank monopolisierte und ein Ein-Parteien-System etablierte. Ihr Fazit: Neuwahlen ohne politischen Wettbewerb und Pluralität würden ein System befördern, das der Demokratie keinen Raum gibt. „Die Atomisierung der palästinensischen Zivilgesellschaft muss enden, damit die Palästinenser den Status quo effektiv herausfordern können“, mahnt El Kurd.

Der palästinensisch-amerikanische Unternehmer Sam Bahour wendet ein, dass die Palästinenser in der Westbank, in Jerusalem und Gaza infolge der Oslo-Bestimmungen durch die Einteilung in verschiedene Zonen räumlich voneinander getrennt wurden – hinzu kommen die palästinensischen Flüchtlinge, die seit 1948 in Jordanien, dem Libanon und Syrien leben. „Diese erzwungene Fragmentierung ist ein starkes Hindernis, um zu mobilisieren und sich politisch neu aufzustellen. Dennoch brauchen wir Wahlen und müssen das völlig veraltete Parteiensystem erneuern“, sagt Bahour.[13]

Im Jahr 2019 schrieb der politische Analyst einen offenen Brief an Präsident Abbas, in dem er diesen aufforderte, nicht weiter an allen vier entscheidenden Führungsposten festzuhalten – dem Vorsitz der PLO und der Fatah als der größten PLO-Fraktion sowie der Präsidentschaft der PA und Palästinas.[14] Jeder wisse, dass Wahlen wegen der internen Spaltungen, der israelischen Besatzung und der geographischen Trennung eine Herausforderung seien. Das sei jedoch kein Grund, untätig zu bleiben. Bahour schlug vor, die Prioritäten neu zu bestimmen, „hin zur Befreiung und weniger in Richtung Staatenbildung in den Gebieten, die unter militärischer Besatzung stehen“. Zudem mahnt der Geschäftsmann, der in den 1990ern aus den USA nach Ramallah umsiedelte, um Palästina mit aufzubauen, „dass niemand unsere internen Schwierigkeiten politisch gegen uns ausspielen sollte“. Von Deutschland erwartet er eine konsequente Haltung: Es sei ein Widerspruch, die Zweistaatenlösung zu vertreten, den Staat Palästina aber nicht anzuerkennen.

Bahour gehört zu den 122 palästinensischen und arabischen Intellektuellen, Journalisten und Wissenschaftlern, die in einer Demonstration lange nicht gesehener Einigkeit jetzt ihre Bedenken gegen die Definition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) veröffentlichten. „Der Kampf gegen Antisemitismus darf nicht zu einem Strategem werden, um den Kampf gegen die Unterdrückung der Palästinenser, die Verweigerung ihrer Rechte und die fortgesetzte Besetzung ihres Landes zu delegitimieren“, heißt es in der Erklärung.[15]

»Wir sind es, die sich jetzt bewegen müssen«

Unterzeichnet hat auch Honeida Ghanim. Dass der Bundestag sich dieser umstrittenen Arbeitsdefinition angeschlossen hat, ist für sie eine Enttäuschung. Mit Blick auf die USA vermutet die Soziologin, dass Bidens Administration eine „rationalere Haltung“ gegenüber den israelischen Siedlungen einnehmen und die Zahlungen an das UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge wiederaufnehmen werde. Doch sie fürchtet, dass Biden, ähnlich wie seine Vorgänger, nicht viel mehr tun wird, als Israels Besatzung der palästinensischen Gebiete zu begleiten. „Weder von Israel noch von den USA wird der Wandel kommen, deshalb sind wir es, die sich jetzt bewegen müssen, um unsere Unabhängigkeit zu erreichen“, sagt sie.[16] Ghanim erwartet, dass Fatah, Hamas und andere Fraktionen sich versöhnen und anschließend Wahlen stattfinden werden. „Nur durch Reformen können wir uns stabilisieren und wieder eine selbstbewusste Haltung entwickeln.“ Die Leiterin des Palästinensischen Forums für Israelstudien MADAR beschreibt die Frustration, die Palästinenser über ihre Lebenssituation und die PA in den sozialen Netzen artikulieren. Dieser Ärger könnte sich bald aktiv gegen die PA richten, wenn diese nicht rasch handele.

Auch Fadwa Khader erwartet Widerstand, wenn es den Menschen weiter an Arbeit und Nahrung, Hoffnung, Würde und Freiheit fehle. „Unsere bürgerliche Mittelschicht ist im Laufe des Oslo-Prozesses zugrunde gegangen, die Spaltung zwischen Arm und Reich massiv gewachsen – eine Situation, die sich durch Covid-19 weiter verschärft“, sagt sie.[17] Khader ist Mitglied des politischen Büros der Palästinensischen Volkspartei und leitet die Sunflower Association for Human and Environment Protection. Frauen lernen dort, Wasser nachhaltig zu nutzen und ihr Umweltbewusstsein zu schärfen – praktische Schritte, die auf lokaler Ebene viel bewirken. Für Khader ist die Befähigung von Frauen ein wichtiger Schritt zur nationalen Selbstbestimmung.

Trotz aller Ungewissheiten bezüglich der Zukunft emanzipieren sich immer sichtbarer junge Palästinenserinnen und Palästinenser, um die Kontrolle über ihr Leben zwischen Besatzung und Autoritarismus zu bekommen. Mit innovativen Initiativen und Projekten grenzen sie sich von den Desastern der Oslo-Ära ab.[18] Sie beeinflussen ihre Gesellschaft kreativ – und unabhängig davon, dass ein eigener Staat für sie, trotz der Zuversicht verbreitenden Wahl Joe Bidens in den USA, einstweilen nur ein Traum bleibt.

[1] Ziad Abu Zayyad and Hillel Schenker, The Steal of the Century, in: „Israel-Palestine Journal“, 1-2/2020, www.pij.org.

[2] Vgl. Markus Bickel, Hauptfeind Iran: Israel und die neue sunnitische Achse, in: „Blätter“, 12/2020, S. 11-14.

[3] Vgl. dazu: Peace Now, Settlement Watch, www.peacenow.org.il sowie Daniel Seidemann, Inside Trump and Netanyahu’s ’end of seaon‘ settlement bonanza, www.972mag.com, 24.11.2020.

[4] Vgl. Israeli army razes entire village in occupied West Bank, 4.11.2020, www.aljazeera.com.

[5] In den Oslo-II-Abkommen von 1995 wurde die Westbank in drei Verwaltungszonen geteilt, Zone A verwaltet die PA, Zone B verwalten PA und Israel gemeinsam, Zone C verwaltet Israel.

[6] Colum Lynch, Despite U.S. Sanctions, Iran Expands Its Nuclear Stockpile, www.foreignpolicy.com, 8.5.2020.

[7] David D. Kirkpatrick, Ronen Bergman and Farnaz Fassihi, Brazen Killings Expose Iran’s Vulnerabilities as It Struggles to Respond, www.nytimes.com, 28.11.2020.

[8] Im Interview mit der Autorin.

[9] Daoud Kuttab, Palestinian international peace conference gaining traction, www.al-monitor.com, 28.10.2020.

[10] Im Interview mit der Autorin.

[11] Vgl. Yara Hawari, Democracy in the West Bank and Gaza: More than elections, www.al-shabaka.org, 19.2.2020.

[12] Dana El Kurd, Restructuring the Palestinian Authority: It’s now or never, www.al-shabaka.org, 7.11.2019.

[13] Im Interview mit der Autorin.

[14] Sam Bahour: Open Letter to Chairman of the PLO and President of the State of Palestine, Mahmoud Abbas, https://sbahour.medium.com, 6.7.2019.

[15] Palestinian rights and the IHRA definition of antisemitism, www.guardian.com, 29.11.2020.

[16] Im Interview mit der Autorin.

[17] Im Interview mit der Autorin.

[18] Vgl. dazu Alexandra Senfft, Veränderung kommt von unten, www.freitag.de, 30.7.2019 sowie Francesca Albanese und Jalal Al Husseini, Voices Of Palestinian Refugee Youth across the Near East: Socio-Political Participation and Aspirations, www.ardd-jo.org, Juni 2020.

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