Ausgabe November 1993

Blauhelme - Hoffnung und Alpdruck der Vereinten Nationen

Sie sind in der heutigen Welt das markanteste Zeichen von Aktivität der Vereinten Nationen (VN): die Peace-keeping Operations unter Einsatz jener "Blauhelme", die 1988 mit dem Friedens-Nobelpreis ausgezeichnet wurden - die "Blauhelme", keineswegs die VN insgesamt! Dabei kommen "Blauhelme" in der Charta der VN gar nicht vor. "Erhaltung des Friedens" ist irgendwo zwischen "friedlicher Beilegung von Streitigkeiten" (Kap. VI) und "Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen" (Kap. VII) angesiedelt. Aus der Logik der Charta ist diese Lücke kaum zu beanstanden.

Denn ihr Art. 1 verspricht der Menschheit "wirksame Kollektivmaßnahmen, um... Angriffshandlungen zu unterdrücken". Gewaltfreie Mittel zwischenstaatlicher Politik, gemeinhin "Diplomatie" genannt, sind nur solange gefragt, wie die Schwelle zwischen "Streitigkeit" (Art. 33/34) und "Drohung" (Art. 39) nicht überschritten ist. Danach sind "Maßnahmen" angekündigt, für die Kap. VII eine Eskalation von Wirtschaftssanktionen (Art. 41) bis zur militärischen Gewalt (Art. 42 ff.) beschreibt. Die Schwelle zwischen Diplomatie und Militärgewalt ist allerdings abstrakt, denn in der Praxis des zwischenstaatlichen wie des zwischenmenschlichen Verkehrs ist kaum ein Streit vorstellbar, der keinerlei Drohung enthielte.

November 1993

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Krieg gegen Gaza: Israels innere Spaltung

von Ignaz Szlacheta

„Schalom, auf Wiedersehen Gaza, wir trennen uns. Ich werde am Strand sitzen und die Uniform vergessen.“ Diese Zeilen sang Yishai Levi während eines Auftritts in einer bekannten israelischen Politiksendung im Jahr 1993.

Frieden durch Recht

von Cinzia Sciuto

Am Anfang stand der 11. September 2001. Danach wurde die Lawine losgetreten: Ein langsamer, aber unaufhaltsamer Erdrutsch erfasste die internationale rechtliche und politische Ordnung. Ein Erdrutsch, der nach und nach die supranationalen Institutionen und die stets fragile, aber nie völlig illusorische Utopie einer friedlichen und auf dem Recht basierenden Weltordnung tief erschüttert hat