Die Vereinten Nationen feiern in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag, aber statt Glückwunschadressen hagelt es Schmähungen und Kritik. Sie hätten die neue Weltordnung verspielt, so heißt es, in Bosnien-Herzegowina versagt, ihr Prestige und ihre Ehre verloren, weil sie immer nur zugesehen und nicht zugeschlagen haben. Sind diese Vorwürfe auch absurd - wir bewerten ja die Medizin auch nicht danach, daß sie den Krebs nicht beseitigt hat -, so könnten sie doch Methode haben. Die UN haben den Ost-West-Konflikt, obwohl er sie 40 Jahre lang blockiert, fast eingefroren hatte, gut überstanden. Jetzt aber, wo sie zu neuer Bedeutung aufwachsen könnten, wendet sich die Welt, wendet sich interessanterweise vor allem der Westen, von ihnen ab. Er steht, so scheint es, vor einer Renaissance der militärischen Gewalt als Mittel internationaler Politik, vor einer Rückkehr zu Bilateralismus und Machtpolitik, zu den ganz alten außenpolitischen Denkweisen also. Verursacht wird diese erstaunliche Wende rückwärts zunächst dadurch, daß die nach vorn ausgeblieben ist. Auf das Ende des OstWest-Konflikts hat der Westen nicht mit gründlicher Abrüstung, nicht mit einem politischen Hausputz geantwortet, der seinen Herrschafts- und Machtapparat dem Frieden angepaßt hätte. Er ist etwas verkleinert, aber im übrigen im alten Rang belassen worden.
In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.