Auszüge aus der Urteilsbegründung
"Grundrechtsschutz auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft" Die in der Präambel des Grundgesetzes angelegte und in Art. 23 und 24 GG geregelte Offenheit für eine europäische Integration hat zur Folge, daß grundrechtserhebliche Eingriffe auch von europäischen Organen ausgehen können und ein Grundrechtsschutz dementsprechend für das gesamte Geltungsgebiet dieser Maßnahmen gewährleistet werden muß: dadurch erweitert sich insbesondere der räumliche Anwendungsbereich der Freiheitsrechte und die Vergleichsperspektive bei der Anwendung des Gleichheitssatzes.
Eine ins Gewicht fallende Minderung der Grundrechtsstandards ist damit nicht verbunden. Das Bundesverfassungsgericht gewährleistet durch seine Zuständigkeit (vgl. BVerfGE 37, 271 <280 ff.>; 73, 339 <376 f.>), daß ein wirksamer Schutz der Grundrechte für die Einwohner Deutschlands auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell sichergestellt und dieser dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt. Das Bundesverfassungsgericht sichert so diesen Wesensgehalt auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft (vgl. BVerfGE 73, 339 <386>). Auch Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation betreffen die Grundrechtsberechtigten in Deutschland. Sie berühren damit die Gewährleistungen des Grundgesetzes und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, die den Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber deutschen Staatsorganen zum Gegenstand haben (Abweichung von BVerfGE 58, 1 <27>).
Allerdings übt das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem "Kooperationsverhältnis" zum Europäischen Gerichtshof aus, in dem der Europäische Gerichtshof den Grundrechtsschutz in jedem Einzelfall für das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaften garantiert, das Bundesverfassungsgericht sich deshalb auf eine generelle Gewährleistung der unabdingbaren Grundrechtsstandards (vgl. BVerfGE 73, 339 <387>) beschränken kann. "Keine der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einem Staat vergleichbare Dichte" Das Demokratieprinzip hindert mithin die Bundesrepublik Deutschland nicht an einer Mitgliedschaft in einer - supranational organisierten - zwischenstaatlichen Gemeinschaft. Voraussetzung der Mitgliedschaft ist aber, daß eine vom Volk ausgehende Legitimation und Einflußnahme auch innerhalb eines Staatenverbundes gesichert ist. (...)
Die Europäische Union ist nach ihrem Selbstverständnis als Union der Völker Europas (Art. A Abs. 2 EUV) ein auf eine dynamische Entwicklung angelegter (vgl. etwa Art. B Abs. 1 letzter Gedankenstrich; Art. C Abs. 1 EUV) Verbund demokratischer Staaten; nimmt er hoheitliche Aufgaben wahr und übt dazu hoheitliche Befugnisse aus, sind es zuvörderst die Staatsvölker der Mitgliedstaaten, die dies über die nationalen Parlamente demokratisch zu legitimieren haben. Indessen wächst mit dem Ausbau der Aufgaben und Befugnisse der Gemeinschaft die Notwendigkeit, zu der über die nationalen Parlamente vermittelten demokratischen Legitimation und Einflußnahme eine Repräsentation der Staatsvölker durch ein europäisches Parlament hinzutreten zu lassen, von der ergänzend eine demokratische Abstützung der Politik der Europäischen Union ausgeht. Mit der durch den Vertrag von Maastricht begründeten Unionsbürgerschaft wird zwischen den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ein auf Dauer angelegtes rechtliches Band geknüpft, das zwar nicht eine der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einem Staat vergleichbare Dichte besitzt, dem bestehenden Maß existentieller Gemeinsamkeit jedoch einen rechtlich verbindlichen Ausdruck verleiht (vgl. insbesondere Art. 8 b Abs. 1 und 2 EGV).
Die von den Unionsbürgern ausgehende Einflußnahme kann in dem Maße in eine demokratische Legitimation der europäischen Institutionen münden, in dem bei den Völkern der Europäischen Union die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind: Demokratie, soll sie nicht lediglich formales Zurechnungsprinzip bleiben, ist vom Vorhandensein bestimmter vorrechtlicher Voraussetzungen abhängig, wie einer ständigen freien Auseinandersetzung zwischen sich begegnenden sozialen Kräften, Interessen und Ideen, in der sich auch politische Ziele klären und wandeln (vgl. BVerfGE 5, 85 <135, 198, 205>; 69, 315 <344 ff, >) und aus der heraus eine öffentliche Meinung den politischen Willen vorformt. Dazu gehört auch, daß die Entscheidungsverfahren der Hoheitsgewalt ausübenden Organe und die jeweils verfolgten politischen Zielvorstellungen allgemein sichtbar und verstehbar sind, und ebenso, daß der wahlberechtigte Bürger mit der Hoheitsgewalt, der er unterworfen ist, in seiner Sprache kommunizieren kann, "...prüft das Bundesverfassungsgericht, ob Rechtsakte der europäischen Einrichtungen sich in den Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte halten" Würden etwa europäische Einrichtungen oder Organe den Unions-Vertrag in einer Weise handhaben oder fortbilden, die von dem Vertrag, wie er dem deutschen Zustimmungsgesetz zugrundeliegt, nicht mehr gedeckt wäre, so wären die daraus hervorgehenden Rechtsakte im deutschen Hoheitsbereich nicht verbindlich. Die deutschen Staatsorgane wären aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert, diese Rechtsakte in Deutschland anzuwenden. Dementsprechend prüft das Bundesverfassungsgericht, ob Rechtsakte der europäischen Einrichtungen und Organe sich in den Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte halten oder aus ihnen ausbrechen (vgl. BVerfGE 58, 1 <30 f.>; 75, 223 <235, 242>).
"...ist eine Gründung 'Vereinigter Staaten von Europa' derzeit nicht beabsichtigt" Wohin ein europäischer Integrationsprozeß nach weiteren Vertragsänderungen letztlich führen soll, mag in der Chiffre der "Europäischen Union" zwar im Anliegen einer weiteren Integration angedeutet sein, bleibt im gemeinten Ziel letztlich jedoch offen (Delors, Entwicklungsperspektiven der Europäischen Gemeinschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 1/93, S. 3 <4>). Jedenfalls ist eine Gründung "Vereinigter Staaten von Europa", die der Staatswerdung der Vereinigten Staaten von Amerika vergleichbar wäre, derzeit nicht beabsichtigt (vgl. Rede des Bundeskanzlers am 6. Mai 1993 in Köln, BullBReg. Nr. 39 vom 17. Mai 1993 S. 341 <343 f.>). "Deutschland ist einer der 'Herren der Verträge'" Die Kompetenzen und Befugnisse, die der Europäischen Union und den ihr zugehörigen Gemeinschaften eingeräumt sind, bleiben, soweit sie durch Wahrnehmung von Hoheitsrechten ausgeübt werden, im wesentlichen Tätigkeiten einer Wirtschaftsgemeinschaft. Die zentralen Tätigkeitsfelder der Europäischen Gemeinschaft sind insoweit die Zollunion und die Freiheit des Warenverkehrs (Art. 3 Buchst. a EGV), der Binnenmarkt (Art. 3 Buchst. c EGV), die Rechtsangleichung zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Marktes (Art. 3 Buchst. h EGV), die Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten (Art. 3 a Abs. 1 EGV) und die Entwicklung einer Währungsunion (Art. 3 a Abs. 2 EGV). Außerhalb der Europäischen Gemeinschaften bleibt die Zusammenarbeit intergouvernemental; dies gilt insbesondere für die Außen- und Sicherheitspolitik sowie für die Bereiche Justiz und Inneres (vgl. oben B.2.c). Die Bundesrepublik Deutschland ist somit auch nach dem Inkrafttreten des Unions-Vertrags Mitglied in einem Staatenverbund, dessen Gemeinschaftsgewalt sich von den Mitgliedstaaten ableitet und im deutschen Hoheitsbereich nur kraft des deutschen Rechtsanwendungsbefehls verbindlich wirken kann.
Deutschland ist einer der "Herren der Verträge", die ihre Gebundenheit an den "auf unbegrenzte Zeit" geschlossenen Unions-Vertrag (Art. Q EUV) mit dem Willen zur langfristigen Mitgliedschaft begründet haben, diese Zugehörigkeit aber letztlich durch einen gegenläufigen Akt auch wieder aufheben könnten. Geltung und Anwendung von Europarecht in Deutschland hängen von dem Rechtsanwendungsbefehl des Zustimmungsgesetzes ab. Deutschland wahrt damit die Qualität eines souveränen Staates aus eigenem Recht und den Status der souveränen Gleichheit mit anderen Staaten i. S. des Art. 2 Nr. 1 der Satzung der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 (BGBl. 1973 II S. 430).
"...ermächtigt die Union nicht, sich aus eigener Macht Finanzmittel zu verschaffen" Das Erfordernis hinreichender gesetzlicher Bestimmtheit der eingeräumten Hoheitsrechte und damit der parlamentarischen Verantwortbarkeit dieser Rechtseinräumung wäre allerdings verletzt wenn Art F Abs. 3 EUV eine Kompetenz-Kompetenz der Europäischen Union als einer Gemeinschaft souveräner Staaten begründete. Art. F Abs. 3 EUV ermächtigt die Union jedoch nicht, sich aus eigener Macht die Finanzmittel und sonstigen Handlungsmittel zu verschaffen, die sie zur Erfüllung ihrer Zwecke für erforderlich erachtet; vielmehr wird in Art. F Abs. 3 EW lediglich die politisch-programmatische Absicht bekundet, daß die - die Union bildenden Mitgliedstaaten in den jeweils dazu erforderlichen Verfahren die Union mit hinreichenden Mitteln ausstatten wollen. Würden europäische Organe den Art. F Abs. 3 EUV entgegen diesem im deutschen Zustimmungsgesetz aufgenommenen Vertragsinhalt auslegen und handhaben, so wäre dieses Handeln vom Zustimmungsgesetz nicht gedeckt und somit innerhalb des deutschen Mitgliedstaates rechtlich unverbindlich. Die deutschen Staatsorgane müßten etwaigen auf eine derartige Handhabung des Art. F Abs. 3 EUV gestützten Rechtsakten die Gefolgschaft verweigern. (...) Gegen die Begründung einer Kompetenz-Kompetenz der Union durch Art. F Abs. 3 EUV spricht bereits, daß der Unions-Vertrag an keiner Stelle den übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien erkennbar werden läßt, mit der Union ein selbständiges Rechtssubjekt zu gründen, das Träger eigener Kompetenzen sein soll.
"...ohne deutsche Zustimmung können die Konvergenzkriterien nicht 'aufgeweicht' werden" Zum anderen ist aus Art. 6 des Protokolls über die Konvergenzkriterien zu entnehmen, daß die nach Art. 109 j Abs. 2 EGV vom Rat seinen Empfehlungen zugrunde zulegende Beurteilung, ob einzelne Mitgliedstaaten die Konvergenzkriterien für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllen, diese Kriterien nicht durch bloße Mehrheitsentscheidung unterlaufen darf. Vielmehr kann das Mehrheitserfordernis nur bedeuten, daß im Rahmen der verbleibenden Einschätzungs-, Bewertungs- und Prognosespielräume Meinungsverschiedenheiten mehrheitlich ausgeräumt werden können. Gleiches gilt, wenn der Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs diese Empfehlungen seinen Mehrheitsentscheidungen nach Art. 109 j Abs. 3 und 4 EGV zugrunde zu legen hat. Unbeschadet ihm zustehender Einschätzungs-, Bewertungs- und Prognosespielräume erlaubt es der Vertragstext dem Rat nicht, sich von seiner Entscheidungsgrundlage in den Empfehlungen nach Art. 109 j Abs. 2 EGV und damit von den vertraglich in Art. 109 j Abs. 1 EGV festgelegten und im Protokoll über die Konvergenzkriterien näher definierten Konvergenzkriterien zu lösen.
Damit ist hinreichend sichergestellt, daß ohne deutsche Zustimmung - und damit ohne maßgebliche Mitwirkung des Deutschen Bundestages - die Konvergenzkriterien nicht "aufgeweicht" werden können. Kein "Automatismus" zu einer Währungsunion" Im Ergebnis unterwirft sich die Bundesrepublik Deutschland mit der Ratifikation des Unions-Vertrags somit nicht einem unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht mehr steuerbaren "Automatismus" zu einer Währungsunion; der Vertrag eröffnet den Weg zu einer stufenweisen weiteren Integration der Europäischen Rechtsgemeinschaft, der in jedem weiteren Schritt entweder von gegenwärtig für das Parlament voraussehbaren Voraussetzungen oder aber von einer weiteren, parlamentarisch zu beeinflussenden Zustimmung der Bundesregierung abhängt.
"Lösung aus der Gemeinschaft" Der Vertrag setzt langfristige Vorgaben, die das Stabilitätsziel zum Maßstab der Währungsunion machen, die durch institutionelle Vorkehrungen die Verwirklichung dieses Ziels sicherzustellen suchen und letztlich - als ultima ratio - beim Scheitern der Stabilitätsgemeinschaft auch einer Lösung aus der Gemeinschaft nicht entgegenstehen. "Modifikation des Demokratieprinzips" Die Einflußmöglichkeiten des Bundestages und damit der Wähler auf die Wahrnehmung von Hoheitsrechten durch europäische Organe sind allerdings nahezu vollständig zurückgenommen, soweit die Europäische Zentralbank mit Unabhängigkeit gegenüber der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten ausgestattet wird (Art. 107 EGV). Ein wesentlicher Politikbereich, der mit dem Geldwert die individuelle Freiheit stützt und mit der Geldmenge auch das öffentliche Finanzwesen und die davon abhängigen Politikbereiche bestimmt, wird der Weisungsbefugnis von Hoheitsträgern und - außerhalb einer Vertragsänderung - zugleich der gesetzgeberischen Kontrolle von Aufgabenbereichen und Handlungsmitteln entzogen. Die Verselbständigung der meisten Aufgaben der Währungspolitik bei einer unabhängigen Zentralbank löst staatliche Hoheitsgewalt aus unmittelbarer staatlicher oder supranationaler parlamentarischer Verantwortlichkeit, um das Währungswesen dem Zugriff von Interessentengruppen und der an einer Wiederwahl interessierten politischen Mandatsträger zu entziehen (so bereits Regierungsentwurf zum Bundesbankgesetz, BTDrucks. 2/2781 S. 24 f.).
Diese Einschränkung der von den Wählern in den Mitgliedstaaten ausgehenden demokratischen Legitimation berührt das Demokratieprinzip, ist jedoch als eine in Art. 88 Satz 2 GG vorgesehene Modifikation dieses Prinzips mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar. Die im Blick auf die Europäische Union vorgenommene Ergänzung des Art. 88 GG gestattet eine Übertragung von Befugnissen der Bundesbank auf eine Europäische Zentralbank, wenn diese den "strengen Kriterien des Maastrichter Vertrages und der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Zentralbank und der Priorität der Geldwertstabilität" entspricht (Beschlußempfehlung und Bericht des Sonderausschusses "Europäische Union " vom 1. Dezember 1992, BTDrucks. 12/3896 S. 21). Der Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers zielt also ersichtlich darauf, für die im Unions-Vertrag vorgesehene Währungsunion eine verfassungsrechtliche Grundlage zu schaffen, die Einräumung der damit verbundenen, in der dargelegten Weise unabhängig gestellten Befugnisse und Institutionen jedoch auch auf diesen Fall zu begrenzen. Diese Modifikation des Demokratieprinzips im Dienste der Sicherung des in eine Währung gesetzten Einlösungsvertrauens ist vertretbar, weil es der - in der deutschen Rechtsordnung erprobten und, auch aus wissenschaftlicher Sicht, bewährten - Besonderheit Rechnung trägt, daß eine unabhängige Zentralbank den Geldwert und damit die allgemeine ökonomische Grundlage für die staatliche Haushaltspolitik und für private Planungen und Dispositionen bei der Wahrnehmung wirtschaftlicher Freiheitsrechte eher sichert als Hoheitsorgane, die ihrerseits in ihren Handlungsmöglichkeiten und Handlungsmitteln wesentlich von Geldmenge und Geldwert abhängen und auf die kurzfristige Zustimmung politischer Kräfte angewiesen sind.
Insofern genügt die Verselbständigung der Währungspolitik in der Hoheitskompetenz einer unabhängigen Europäischen Zentralbank, die sich nicht auf andere Politikbereiche übertragen läßt, den verfassungsrechtlichen Anforderungen, nach denen das Demokratieprinzip modifiziert werden darf (vgl. BVerfGE 30, 1 <24>; 84, 90 <121>). "... für Deutschland keine Bindungswirkung" Indem die Gründungsverträge den Europäischen Gemeinschaften einerseits in umgrenzten Tatbeständen Hoheitsrechte einräumen, andererseits die Vertragsänderung - in einem regelmäßigen und auch in einem vereinfachten Verfahren - regeln, hat diese Unterscheidung auch Bedeutung für die zukünftige Handhabung der Einzelermächtigungen. Wenn eine dynamische Erweiterung der bestehenden Verträge sich bisher auf eine großzügige Handhabung des Art. 235 EWGV im Sinne einer "Vertragsabrundungskompetenz", auf den Gedanken der inhärenten Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaften ("implied powers") und auf eine Vertragsauslegung im Sinne einer größtmöglichen Ausschöpfung der Gemeinschaftsbefugnisse ("effet utile") gestützt hat (vgl. Zuleeg, in: von der Groeben/ Thiesing/Ehlermann, EWG-Vertrag, 4. Aufl. 1991, Art. 2 Rdnr. 3), so wird in Zukunft bei der Auslegung von Befugnisnormen durch Einrichtungen und Organe der Gemeinschaften zu beachten sein, daß der Unions-Vertrag grundsätzlich zwischen der Wahrnehmung einer begrenzt eingeräumten Hoheitsbefugnis und der Vertragsänderung unterscheidet, seine Auslegung deshalb in ihrem Ergebnis nicht einer Vertragserweiterung gleichkommen darf; eine solche Auslegung von Befugnisnormen würde für Deutschland keine Bindungswirkung entfalten.