Bericht einer UNO-Mission über die Situation im Irak vom 20.03.1991
Eine Delegation der Vereinten Nationen unter Leitung des Stellvertretenden Generalsekretärs Martti Ahtisaari, der Vertreter verschiedener UNO-Organisationen angehörten, hielt sich vom 10. bis 17. März 1991 in Irak auf, um sich ein Bild von der Nachkriegssituation und der benötigten humanitären Hilfe zu machen. Ihr Bericht gibt einen erschreckenden Überblick über die Kriegsfolgen, vor allem hinsichtlich der nahezu gänzlich zerstörten irakischen Infrastruktur und der Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse der Bevölkerung. Die Arbeitsgruppen der Delegation (Versorgung und Landwirtschaff; Wasserversorgung, sanitäre Verhältnisse und Gesundheit; Transport und Kommunikation; Flüchtlinge) waren vor allem in und um Bagdad tätig; daneben konnte Mosul in Nordirak besucht werden. Reisen nach Basra, Kirkuk und anderen Orten wurde von den (laut Bericht kooperativen) irakischen Behörden u.a. aus Sicherheitsgründen nicht zugestimmt. Den eindringlichen Bericht der UNO-Delegation dokumentieren wir (in geringfügig gekürzter Form) erstmals in deutscher Sprache. D. Red.
(...) A. Allgemeine Bemerkungen
8. Ich und die Mitglieder meiner Mission waren mit Medienberichten über die Situation im Irak und selbstverständlich auch mit dem jüngsten WHO/UNICEF (Weltgesundheitsorganisation und Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, d. Red.) -Bericht über die Wasserversorgung und die hygienischen und gesundheitlichen Verhältnisse im Großraum Bagdad durchaus vertraut. Es sollte jedoch gleich erwähnt werden, daß nichts von dem, was wir gesehen oder gelesen hatten, uns wirklich auf die besondere Form von Zerstörung vorbereitet hatte, die jetzt das Land heimgesucht hat. Der jüngste Konflikt hat nahezu apokalyptische Folgen für die ökonomische Infrastruktur einer Gesellschaft, die - bis zum Januar 1991 - in recht hohem Maße urbanisiert und technisiert war. Heute sind die meisten Mittel zur Aufrechterhaltung des modernen Lebens völlig zerstört oder weitgehend ausgeschaltet. Der Irak wurde für einige Zeit in ein vorindustrielles Zeitalter zurückversetzt, allerdings mit all den Nachteilen und Behinderungen einer nachindustriellen Abhängigkeit von einer intensiven Nutzung von Energie und Technologie.
9. Mein Mandat beschränkte sich darauf, eine Einschätzung der Notwendigkeit für humanitäre Soforthilfe vorzunehmen. Es erstreckte sich nicht auf die gewaltige Aufgabe zu beurteilen, was zum Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur des Irak vonnöten ist, und noch viel weniger auf Fragen der künftigen Entwicklung. Deshalb ist mein Bericht an Sie in seinen verschiedenen Abschnitten bemüht, so exakt wie möglich den Umfang der erforderlichen Maßnahmen auf den vordringlichsten Gebieten humanitärer Hilfeleistung anzugeben: für eine gesicherte Wasserversorgung und hygienische Verhältnisse sowie für eine elementare Gesundheits- und medizinische Versorgung; für Nahrungsmittel, Unterkünfte und für logistische Mittel, um eine derartige Versorgung tatsächlich verfügbar zu machen. Jeder Analyse liegt die unerbittliche Realität zugrunde, daß infolge des Krieges praktisch alle früher vorhandenen Treibstoff- und Energiequellen (abgesehen von einer begrenzten Anzahl mobiler Generatoren) und modernen Kommunikationsmittel im wesentlichen nicht mehr existieren. Die weitreichenden Implikationen dieses Fehlens von Energie und Kommunikationsverbindungen sind im Hinblick auf humanitäre Soforthilfe von entscheidender Bedeutung für die Art und Effektivität der internationalen Reaktion.
10. Diese Bedingungen, zusammen mit den jüngsten Bürgerkriegsunruhen in einigen Teilen des Landes, bedeuten, daß die Behörden gegenwärtig kaum in der Lage sind, das Ausmaß der Katastrophe abzusehen, geschweige denn entsprechend darauf zu reagieren, da sie keine umfassenden und gesicherten Daten erhalten können. Zudem wird weitaus mehr als das Minimum an Treibstoff benötigt, um die Energie zu liefern, die für Verkehrs- oder Transportmittel, für Bewässerungssysteme oder Stromgeneratoren zum Pumpen von Wasser oder Abwässern erforderlich ist.
So können zum Beispiel medizinische Hilfsgüter nur unter extremen Schwierigkeiten und meist mit größeren Verzögerungen zu den Ärztezentren gebracht werden. Informationen über den jeweiligen Bedarf vor Ort fließen langsam und spärlich. Den meisten Angestellten ist es schlichtweg unmöglich, zur Arbeit zu kommen. Behörden und Gewerkschaften gelangten übereinstimmend zu der Einschätzung, daß ca. 90% der Industriearbeiter zur Untätigkeit verurteilt sind und ab Ende März über kein Einkommen mehr verfügen. Regierungsdienststellen arbeiten derzeit nur mit Minimalbesetzung. Vor den jüngsten Ereignissen importierte der Irak 70% der benötigten Nahrungsmittel. Heute ist aufgrund der Treibstoffknappheit, der Unmöglichkeit, Waren zu importieren, und des praktischen Zusammenbruchs des Verteilungssystems der Nahrungsmittelnachschub durch den privaten Sektor bei ständig steigenden Preisen auf ein Minimum geschrumpft. Die Preise für zahlreiche Nahrungsmittel liegen bereits über dem, was die meisten irakischen Familien aufbringen können. Die landwirtschaftliche Produktion ist in hohem Maße mechanisiert, und weite Landstriche sind auf Bewässerung mit Hilfe von Pumpsystemen angewiesen. Sollte die Haupternte im Juni 1991 durch den Mangel an Kraftstoff für landwirtschaftliche Maschinen und Wasserpumpen ernsthaft beeinträchtigt werden, wird sich die ohnehin schon ernste Situation noch weiter zuspitzen. Wie unten ausgeführt, könnte die Ernte im Jahr 1992 aus mehreren Gründen zumindest ähnlich gefährdet sein. In Anbetracht der Natur der irakischen Gesellschaft und Wirtschaft stellt der Energiemangel ein allgegenwärtiges Hindernis für den Erfolg selbst einer kurzfristigen, massiven Anstrengung dar, lebenserhaltende Bedingungen in jedem Bereich, in dem humanitäre Maßnahmen erforderlich sind, aufrechtzuerhalten.
B. Ernährung und Landwirtschaft
11. Mitglieder der Mission hielten Arbeitstreffen mit Vertretern der zuständigen Ministerien ab, besuchten soziale Einrichtungen, in denen verschiedene besonders gefährdete Gruppen betreut werden, landwirtschaftliche Produktionsgebiete, ein Zentrum für Saatgutproduktion, ein tierärztliches Zentrum und einen Molkereibetrieb. Die Mission stellte fest, daß der Irak in hohem Maße von Nahrungsmittelimporten abhängig war, durch die mindestens 70% des Verbrauchs gedeckt wurden. Auch Saatgut wurde importiert. Die vom Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen hatten sich bereits nachteilig auf die Fähigkeit des Landes ausgewirkt, seine Bevölkerung zu ernähren. Neue Maßnahmen in bezug auf Rationierung und Produktionssteigerungen wurden im September 1990 eingeleitet. Diese wurden jedoch ihrerseits von den Kriegshandlungen beeinträchtigt, die sich auf die meisten landwirtschaftlichen Produktionsgebiete und den Vertrieb landwirtschaftlicher Produkte stark auswirkten.
12. Gegenwärtig erfolgt die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln per Zuteilung und Rationierung durch die Regierung sowie über den Markt. Die monatliche Zuteilungsmenge von Grundnahrungsmitteln durch das Handelsministerium an die Bevölkerung fiel von 343 000 Tonnen auf 182 000 Tonnen im September 1990, als die Rationierungsmaßnahmen eingeführt wurden, und ging im Januar 1991 auf 135 000 Tonnen zurück (39% des Niveaus vor Einführung der Sanktionen). Der Mission war es zwar nicht möglich, die genauen Mengen der Vorräte zu eruieren, die derzeit noch in den Lagerhäusern der Regierung vorhanden sind, doch weist alles darauf hin, daß bei Mehl jetzt eine kritische Verknappung eingetreten ist und daß die Vorräte an Zucker, Reis, Tee, Pflanzenöl, Milchpulver und Hülsenfrüchten ebenfalls bedenklich knapp geworden oder bereits erschöpft sind. So ist Milchpulver zum Beispiel jetzt ausschließlich kranken Kindern vorbehalten und wird nur mehr auf ärztliche Verschreibung abgegeben.
13. Die Viehwirtschaft wurde durch die Sanktionen ernstlich beeinträchtigt, da viele Futtermittel importiert wurden. Das einzige Labor, das Tierimpfstoffe herstellte, wurde während des Konflikts zerstört, wie die Mission bei einer Besichtigung feststellte. Die Behörden sind nicht mehr in der Lage, Viehhalter bei der Bekämpfung von Krankheiten zu unterstützen, da alle Impfstoffvorräte während der Bombardierungen dieser Einrichtung zerstört worden sein sollen, die ein Regionalprojekt der FAO (Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft, d. Red.) war.
14. Das Land war in besonderem Maße abhängig von ausländischem Saatgut, und die Mission konnte zerstörte Lagerhäuser für Saatgut besichtigen. Die zuständigen Landwirtschaftsbehörden teilten der Mission mit, daß sämtliche Vorräte an Saatgut für Kartoffeln und Gemüse aufgebraucht seien. Die Aussaat für die nächstjährige Ernte ist gefährdet, sofern das Saatgut nicht vor Oktober 1991 verfügbar ist.
15. Die diesjährige Getreideernte im Juni ist aus einer Reihe von Gründen ernstlich gefährdet, so aufgrund der fehlenden Be- bzw. Entwässerung (keine Energie für Pumpen, Fehlen von Ersatzteilen), des Mangels an Pestiziden und Düngemitteln (die bisher importiert wurden) und des Mangels an Kraftstoff und Ersatzteilen für die hochmechanisierten und treibstoffabhängigen Erntemaschinen. Sollte diese Ernte mißraten oder weit unter dem Durchschnitt bleiben, was sehr wahrscheinlich ist, falls es nicht zu einer raschen Veränderung der Situation kommt, droht die konkrete Gefahr einer weitreichenden Hungersnot.
16. Das staatliche Programm zur Unterstützung sozial abhängiger Gruppen (ältere Menschen, Behinderte, Mütter und Kinder, Krankenhauspatienten, Waisen, Flüchtlinge etc.) ist von den allgemeinen ernsten Mängeln in der Nahrungsmittelversorgung betroffen.
17. Die Mission hatte die Gelegenheit, unabhängige Untersuchungen über Lebenshaltungskosten und Lebensstandard in Bagdad durchzuführen. Der Lebensstandard ist in den letzten Monaten rapide gesunken, während Lebensmittel- und Treibstoffpreise dramatisch gestiegen sind. Die Preisanstiege im Zeitraum von August bis Januar spiegelten Versorgungsengpässe wider, seit Januar findet jedoch eine weitere Beschleunigung des Preisauftriebs statt, der sowohl Versorgungsengpässe als auch den Zusammenbruch des Transportsystems reflektiert. Gespräche mit privaten Lebensmittelgroßhändlern ergaben, daß ihre Vorräte nahezu erschöpit sind und daß sie aufgrund der Treibstoffknappheit über keine organisierten privaten Transportmöglichkeiten mehr verfügen. Das von der Regierung ins Leben gerufene Rationierungssystem sollte es Familien ermöglichen, einen Teil ihrer Grundbedürfnisse zu Preisen zu decken, die mit den vor August gültigen Preisen vergleichbar waren. Das System billigt Familien entweder fünf Kilo Mehl pro Person im Monat zu oder drei Laibe gebackenes Brot, zehn Kilo Flüssiggas zum Kochen pro Familie im Monat, ein Stück Seife pro Person im Monat etc. Von der Mission in verschiedenen Gebieten Bagdads durchgeführte unabhängige Umfragen zeigten jedoch, daß viele Familien nicht ihre vollen Rationen bekommen, da die Ausgabezentren oft leer sind und es mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, in andere Ausgabestellen zu fahren. Die Qualität der zugeteilten Nahrungsmittel hat sich derart verschlechtert, daß schon gesundheitliche Schäden verursacht wurden. Die meisten Familien berichteten auch, daß es ihnen nicht möglich sei, ihren Bedarf auf den privaten Märkten zu decken.
Trotz staatlicher Preiskontrollen gibt es, wie die von der Mission durchgeführten unabhängigen Marktumfragen zeigen, seit August eine Hyperinflation. Die Preise der meisten Grundnahrungsmittel stiegen um 1000% oder mehr So kostet zum Beispiel heute das Kilo Mehl fünf bis sechs Dinar (und wird anscheinend noch immer teurer); der Preis für ein Kilo Reis stieg auf sechs Dinar, für ein Kilo Zucker auf fünf Dinar, für ein Kilo Linsen auf vier und für Vollmilch auf zehn Dinar. Im Gegensatz zu dieser Hyperinflation sind viele Einkünfte entfallen. Zahlreiche Angestellte erhalten keine Löhne mehr, das Banksystem wurde großenteils stillgelegt, und Geldauszahlungen sind auf 100 Dinar im Monat beschränkt. Der monatliche Mindestlohn betrug 54 Dinar und das durchschnittliche Monatsgehalt eines Beamten 70 Dinar. Kurz, die meisten Familien kommen nicht in den Genuß angemessener Rationen oder verfügen nicht über die Kaufkraft, um einen üblichen Mindeststandard halten zu können.
18. Die Mission empfiehlt, daß unter diesen Bedingungen der gegenwärtigen extremen Notlage und angesichts der düsteren Aussichten die Sanktionen im Hinblick auf Nahrungsmittellieferungen sofort aufgehoben werden sollten, ebenso die Sanktionen in bezug auf den Import von landwirtschaftlichem Gerät und landwirtschaftlichen Gütern. Die sofortige Lieferung von Waren zur Absicherung der Grundversorgung besonders gefährdeter Gruppen wird dringend empfohlen, ebenso die Bereitstellung größerer Mengen der folgenden Grundnahrungsmittel für die gesamte Bevölkerung: Milch, Weizenmehl, Reis, Zucker, Pflanzenöl und Tee. Diese Nahumgsmittel werden benötigt, um den allgemeinen Mindestbedarf bis zur nächsten Ernte zu decken. Zur Sicherstellung der Ernte ist die sofortige Einfuhr von Düngemitteln, Pestiziden, Ersatzteilen, Tiermedizin, Landwirtschaftsmaschinen und -gerät etc. unerläßlich. Die Mission war in der Lage, einen Großteil dieses Bedarfs zu quantifizieren. Es scheint auch wahrscheinlich, daß bis zum Sommer Gemüse von den Märkten des Landes verschwindet, und die Einfuhr von Saatgut ist von entscheidender Bedeutung.
19. Die Mission weist darauf hin, daß ohne eine Wiederherstellung der Energieversorgung in den Bereichen landwirtschaftliche Produktion und Vertrieb die Durchführung vieler der obengenannten Empfehlungen wenig Wirkung zeitigen würde. Drastische internationale Maßnahmen quer durch das gesamte landwirtschaftliche Spektrum sind von außerordentlicher Dringlichkeit.
C. Wasser, Hygiene und Gesundheit
20. Was das Wasser betrifft, so erhielt Bagdad vor Beginn der Krise 450 Liter pro Person aus sieben Wasseraufbereitungsanlagen, die Wasser aus dem Tigris reinigten. Der Rest des Landes verfügte über ca. 200-250 Liter pro Person und Tag, gereinigt und geliefert von 238 zentralen Wasseraufbereitungsanlagen sowie von 1134 kleinen Wasserprojekten. Alle Aufbereitungsanlagen arbeiteten mit elektrischem Strom; ca. 75% verfügten über mit Dieselkraftstoff betriebene Notgeneratoren. Die Abwässer wurden in einem akzeptablen Maße geklärt, bevor sie wieder in die Flüsse eingeleitet wurden.
21. Mit der Zerstörung von Kraftwerken, Ölraffinenen, Haupttanklagern und mit der Wasseraufbereitung, Chemieanlagen kamen alle mit elektrischem Strom betriebenen Einrichtungen zum Stillstand. Mit Dieselkraftstoff betriebene Generatoren konnten nur noch in beschränktem Umfang arbeiten, da ihr Betrieb durch Treibstoffmangel, mangelnde Wartung, fehlende Ersatzteile und das Nichterscheinen von Arbeitern beeinträchtigt wurde. Die Wasserversorgung in Bagdad ging auf weniger als zehn Liter pro Tag zurück, ist jetzt aber in ca. 70% des Stadtgebiets wieder auf 30-40 Liter angestiegen (weniger als 10% des früheren Verbrauchs). In mehreren Pumpstationen sind die Notgeneratoren defekt, so daß es zu einer Einstellung des Nachschubs kommen wird, sollte bei den vorhandenen Maschinen ein Defekt auftreten (aufgrund der Sanktionen sind keine Ersatzteile zu bekommen). Was die Qualität des Wassers in Bagdad angeht, so müssen heute ungeklärte Abwässer direkt in den Fluß geleitet werden - aus dem die Stadt ihr Wasser bezieht -, und alle Trinkwasseranlagen dort wie im ganzen übrigen Land verwenden von Abwässern stark verunreinigtes Flußwasser. Vor kurzem sah sich die Wasserbehörde in den Stand gesetzt, die Qualität des Trinkwassers durch verstärkte Beigabe von Alaun und Chlor aus den noch vorhandenen Restbeständen etwas zu verbessern, nachdem UNICEF und IKRK (Internationales Komitee vom Roten Kreuz, d. Red.) Soforthilfe zugesagt hatten. In den Anlagen werden jetzt chemische Tests durchgeführt, eine bakteriologische Untersuchung und Kontrolle ist aber wegen des Fehlens der für das Funktionieren eines Lahors erforderlichon Elektrizität, des Mangels an nötigen Chemikalien und Reagenzien und des fehlenden Treibstoffs für das Einsammeln der Proben nicht möglich. Wegen des fehlenden Kraftstoffs für die Probenentnahme werden keine Chlortests durchgeführt.
Zwar hat die Wasserbehörde darauf hingewiesen, daß Wasser abgekocht werden muß, doch gibt es dazu wenig Brennstoff, und die noch vorhandenen Bestande werden mit jedem Tag weniger. Bis vor kurzem herrschten kühle winterliche Witterungsbedingungen.
22. Die Behörden verfügen nur über begrenzte Informationen zur Situation im übrigen Land, da alle modernen Kommunikationssysteme zerstört wurden und Informationen heute (in diesem Bereich wie in allen anderen) durch persönlichen Kontakt übermittelt und empfangen werden. In den Gebieten, in denen es keine Generatoren gibt oder Generatoren nicht mehr funktionieren oder die Treibstoffvorräte erschöpft sind, holt die Bevölkerung ihr Wasser direkt aus verschmutzten Flüssen und Graben. Dies ist besonders in ländlichen Gebieten augenfällig, wo man Frauen und Kinder beim Waschen und beim Füllen von Wasserbehältern beobachten kann. Die Quantität und Qualität des in Anlagen aufbereiteten Wasser ist sehr unterschiedlich, und an vielen Orten stehen keine Chemikalien zur Klärung zur Verfügung. Qualitätskontrollen - Chlortests, chemische Tests oder bakteriologische Untersuchungen - werden nicht durchgeführt.
23. Die Mission stellte die verschiedenen obengenannten Probleme fest: eine starke Abwasserverschmutzung der Wasserzufuhr, einen Mangel bzw. akute Knappheit an Chemikalien zur Wasseraufbereitung, insbesondere an Aluminiumsulfat (Alaun) und Chlor; keine Energie zum Betreiben der Anlagen; Mangel oder Knappheit an Dieselkraftstoff zum Betreiben von Generatoren; es ist unmöglich, Generatoren zu reparieren, da Ersatzteile fehlen; in einigen Fällen sind überhaupt keine Generatoren vorhanden; einige Aufbereitungsanlagen sind zerstört; es gibt keine Wasseruntersuchungen; ein medizinisches Überwachungssystem in Hinblick auf ansteckende und insbesondere durch Wasser übertragbare Krankheiten fehlt. Ein weiteres Hauptproblem, das nun bevorsteht, ist das Klima.
Im Irak sind die Sommer lang und extrem heiß, die Temperaturen erreichen oft 50 Grad Celsius. Dies hat zwei wesentliche Konsequenzen: a) die Wassermenge muß erhöht werden, und eine Minimalmenge von 50 Litern pro Person und Tag ist zu erreichen (das erfordert einen Bruttoausstoß von 65 Litern pro Person an der Quelle), und b) die Hitze wird die Vermehrung von Bakterien beschleunigen, und damit werden die von der Wasserqualität ausgehenden Gesundheitsrisiken (die schon jetzt eine unannehmbare Stufe erreicht haben) weiter zunehmen - insbesondere angesichts der allgemeinen hygienischen Verhältnisse, die bereits zu einem Anstieg von Durchfallerkrankungen bei Kindern unter fünf Jahren um das Vierfache geführt haben, und der sich daraus ergebenden Auswirkungen auf ihren ohnehin bedenklichen Ernährungszustand. 24. Im Bereich der Hygiene bilden Abfallbeseitigung und Abwasseraufbereitung zwei Hauptprobleme. In beiden Fällen werden rasch steigende Temperaturen in Kürze die bereits existierende Krise noch verschärfen. In den städtischen Gebieten türmt sich der Müll, und die Müllabfuhr funktioniert kaum oder gar nicht mehr. Die Arbeit der Müllautos wird durch den Mangel an Treibstoff, Wartung, Ersatzteilen und Arbeitskräften behindert, da es den Arbeitern nicht möglich ist, zur Arbeit zu kommen.
Müllverbrennungsanlagen sind aus denselben Gründen und wegen Strommangels meist außer Betrieb. Insektenvernichtungsmittel, die bei zunehmender Hitze dringend benötigt werden, sind aufgrund der Sanktionen und des Mangels an Chemikalien praktisch nicht mehr vorrätig. Wie bereits erwähnt, sind die irakischen Flüsse durch ungeklärte Abwässer stark verunreinigt, und die Wasserstände sind ungewöhnlich niedrig. Alle Kläranlagen und Pumpstationen stehen aufgrund der fehlenden Energieversorgung und des Ersatzteilmangel praktisch still. Abwasserpfützen stehen in den Straßen und Dörfern. In den kommenden Wochen werden die Gesundheitsrisiken zunehmen.
25. Was die gesundheitlichen Verhältnisse betrifft, so hat sich die Mission einen Überblick über die Situation seit der gemeinsamen Sonderkommission von WHO und UNICEF im Februar 1991 verschafft. Sie stellte fest, daß die in jenem Bericht (S/22328) gegebenen Empfehlungen, die dann von dem durch die Resolution 661 (199O) zur Situation zwischen dem Irak und Kuwait eingesetzten Komitee des Sicherheitsrats gebilligt wurden, wohlbegründet waren. Die Mission ermittelte auch weitere dringliche Probleme im Gesundheitsbereich, die während der nächsten drei bis sechs Monate in Angriff genommen werden müssen. Sie machte auch Schranken ausfindig, die die Umsetzung der bereits beschlossenen Empfehlungen der gemeinsamen Kommission behindern. Sie stellte fest, daß die gesundheitlichen Verhältnisse in Bagdad und im gesamten Land weiterhin prekär sind. Ein Hauptgrund dafür liegt in der oben beschriebenen Situation in der Wasserversorgung und in den hygienischen Verhältnissen.
Darüber hinaus stellen der vollständige Zusammenbruch der Telefonverbindungen sowie die drastisch verringerten Transportmöglichkeiten weitere Probleme für das Gesundheitswesen dar, da wesentliche Informationen über ansteckende Krankheiten nicht gesammelt bzw. verbreitet und wichtige Medikamente, Impfstoffe und medizinisches Gerät nicht effizient im Land verteilt werden können. Gesundheitsexperten der Mission konzentrierten sich deshalb insbesondere auf die Kontrolle und Verhinderung von Epidemien, die Kontrolle der Wasserqualität und die logistische Unterstützung eines effektiven Verteilungssystems für Impfstoffe, Medikamente und medizinisches Gerät von Bagdad aus in außerhalb gelegene Regionen.
26. Es ist dringend erforderlich, ein nationales Überwachungsund Meldesystem für ansteckende Krankheiten aufzubauen. Dazu wäre die Schaffung von Überwachungsstellen nötig, die Untersuchungen auf die gefährlichen ansteckenden Krankheiten hin vornehmen, sowie die Schaffung der notwendigen Einrichtungen, um die erhaltenen Daten in nationalem Maßstab und in kurzer Zeit auszuwerten und zu analysieren. Für diese dringliche humanitäre Maßnahme sind Kommunikationsverbindungen, funktionsfähige Laboratorien einschließlich der nötigen Chemikalien und Reagenzien sowie Transportmittel und Elektrizität unabdingbar. Das Problem der Kontrolle der Wasserqualität wurde bereits geschildert. Der von der WHO/UNICEF Mission gemeldete vierfache Anstieg von Durchfallerkrankungen bei Kleinkindern wurde durch Befunde aus der letzten Zeit in elf Überwachungsstellen in Bagdad bestätigt. Die Situation in der Wasserversorgung und die hygienischen Bedingungen tragen zu diesem Problem bei. Es ist damit zu rechnen, daß sich die Situation mit dem Herannahen des Sommers weiter zuspitzen wird. Die Mission kam zu dem Schluß, daß es jederzeit zu einer Katastrophe kommen könnte, wenn sich die Bedingungen nicht ändern. Sie setzte die Anforderungen für eine Kontrolle der Wasserqualität fest. Was die Logistik betrifft, so ist dieser Bereich von den gleichen Problemen, die in der restlichen Gesellschaft existieren, gegenwärtig in besonderem Maße betroffen.
27. Die Empfehlungen der Mission für dringend erforderliche humanitäre Maßnahmen im Hinblick auf Wasserversorgung, Hygiene und Gesundheit lauten wie folgt: a) Was das Wasser betrifft, so müssen die erforderlichen Mengen so kalkuliert werden, daß ein Minimum von unbedenklichem Wasser während der heißen Jahreszeit von April bis September gewährleistet ist. Hilfe, ähnlich den bereits gebilligten Maßnahmen, sollte auch Städten außerhalb Bagdads zur Verfügung gestellt werden, darunter die nötigen Mengen an Kraftstoff für Generatoren und Transportmittel; Schmiermittel für Motoren; Aluminiumsulfat; Chlor; Generatoren für Wasserstationen; mobile Flußwasseraufbereitungsanlagen; chemische Dosierpumpen; Apparaturen zur gasförmigen Chlorung bei der Wasseraufbereitung; Pumpanlagen; Ersatzteile; Formstücke für Wasserrohre sowie Reagenzien für chemische Tests; b) Zu den dringend benötigten Dingen im Hygienebereich gehören: Kraftstoff und Ersatzteile für Müllautos sowie Insektizide; Kraftstoff und Ersatzteile für das (zur Gänze mechanisierte und importierte) Abwasserentsorgungssystem, sowie Schläuche für die Wasserversorgung mit Tankwagen; c) Was die Erfordernisse im medizinischen Bereich betrifft, so kam die Mission zu dem Schluß, daß eine Anzahl von Dingen unerläßlich ist, um den dringlichsten humanitären Bedürfnissen Rechnung zu tragen, und stellte den Bedarf fest. Dazu gehören die Lieferung lebenswichtiger Medikamente und Impfstoffe, wie sie bereits früher gestattet wurde, in größerem Maßstab sowie von Chemikalien und Reagenzien, Generatoren, batteriebetriebenen Brutkasten, alternativen Kommunikationsmitteln, den notwendigen Voraussetzungen für die Wiederherstellung der Kühlsysteme für Impfstoffe und einige Fahrzeuge. d) Ohne Treibstoff, Energie und Kommunikationsmittel konnten sich die obengenannten erforderlichen Maßnahmen jedoch als mehr oder weniger ineffektiv erweisen. Schätzungen über den damit verbundenen Treibstoffbedarf wurden von der Mission angestellt.
D. Flüchtlinge und andere gefährdete Gruppen
28. Von den oben beschriebenen Bedingungen sind die gesamte Bevölkerung des Iraks und vor allem die Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Einkommen betroffen. Die Mission richtete besonderes Augenmerk auf die Lage besonders gefährdeter Gruppen, gleichgültig, ob es sich um Iraker oder Nichtiraker handelte. Dabei stellte sie fest, daß die Fürsorge für Waisen und für ältere und behinderte Menschen in vielen Fällen unterbrochen worden ist und Personen, die in Heimen untergebracht waren, verlegt und an verschiedenen Orten neu gruppiert werden mußten. Die Mission empfiehlt die sofortige Durchführung eines humanitären Programms, das zum Ziel hat, etwa 25 Waisenhäuser und 71 andere Wohlfahrtseinrichtungen in den Stand zu setzen, ihre normalen Aktivitäten wieder aufzunehmen, und deren Nutznießer mit lebenswichtigen Hilfslieferungen zu versorgen, und spezifiziert den für diesen Zweck erforderlichen Bedarf.
29. Was die Vertriebenen und Obdachlosen betrifft, so sind die Behörden selbst bisher nicht in der Lage, die Auswirkungen der jüngsten Kriegshandlungen umfassend zu beurteilen. Sie schätzen jedoch, daß bei den Kampfhandlungen ca. 9000 Wohnungen und Häuser zerstört oder so stark beschädigt wurden, daß sie nicht wieder instand gesetzt werden können. 2500 davon befinden sich in Bagdad, 1900 in Basra. Dadurch wurden insgesamt 72 000 Personen obdachlos. Staatliche Hilfe wird durch die Verhältnisse behindert, die in diesem Bericht geschildert werden, und insbesondere durch den praktischen Stillstand in der Produktion lokaler Baustoffe sowie der Unmöglichkeit, Baumaterialien zu importieren. Die Einfuhr unbedingt erforderlicher Materialien sollte gestattet werden.
30. Die Mission sah sich in der verfügbaren Zeit und angesichts der unvollständigen Daten bei den Behörden außerstande, die Zahl ausländischer Arbeiter arabischer oder anderer Nationalität zu ermitteln, die gegenwärtig noch im Irak leben. Es wurde geschätzt, daß sich im Januar 1991 noch ca. 750 000 im Irak aufhielten. In der gegenwärtigen Situation kann man nur Mutmaßungen anstellen, ob eine Reihe von den noch verbliebenen Arbeitern vielleicht Unterstützung brauchen, um in ihre Heimatländer zurückzukehren.
31. Etwa 64 000 iranische Staatsbürger lebten früher unter dem Schutz entweder der Vierten Genfer Konvention zum Schutz von Zivilisten in Kriegszeiten vom 14. August 1949 oder der Flüchtlingskonvention von 1951 in drei Lagern im Irak. Einige dieser Personen mußten die Lager verlassen. Andere äußerten den Wunsch nach Rückkehr in ihr Heimatland. Begrenzte Hilfsmaßnahmen sind dringend nötig für einige der Personen, die gezwungen waren, eines der Lager zu verlassen. Außerdem leben ca. 80 000 Palästinenser im Irak, darunter eine Gruppe von 35 000, die als Flüchtlinge betrachtet werden, die vom Schutz durch die irakische Regierung profitieren. Es wurde berichtet, daß mehrere Hundert Palästinenser vor kurzem aus Kuwait nach Bagdad gekommen sind und nun dringend der Hilfe bedürfen. Bestimmte Maßnahmen wurden entwickelt, um den Bedürftigsten Soforthilfe zukommen zu lassen.
E. Logistik, Transport, Kommunikation und Energie
32. Die Mission unterzog Transport-, Kommunikations- und Energieeinrichtungen einer eingehenden Prüfung, da sich in zunehmendem Maße herausstellte, daß entsprechende Logistik und Energieversorgung von elementarer Bedeutung für Unterstützungsmaßnahmen und Voraussetzung dafür sind, daß humanitäre Soforthilfe effektiv sein kann.
33. Was das Transportwesen betrifft, so hat die Tatsache, daß sich das Land seit 1980 nahezu andauernd im Krieg befand, seine Leistungsfähigkeit allmählich unterminiert. Gegenwärtig führt die einzige vorhandene Landverbindung mit der Außenwelt über Amman nach Akaba. (Es hieß, daß vor kurzem eine Brücke der Iskenderun/Mersin-Straße von der Türkei in den Irak zerstört worden sei, und die Häfen von Basra und Umm Qasr sind derzeit nicht in Betrieb; auch gibt es seit einigen Jahren keinen direkten Frachtverkehr über die Syrische Arabische Republik in den Irak.) Der Transport auf den Straßen im Land selbst ist heute durch den Mangel an Ersatzteilen und Reifen und vor allem durch den Treibstoffmangel stark beeinträchtigt. Eine gewisse Binnentransportverbindung per Bahn existiert noch auf der Strecke Bagdad-Mosul. Der Mission wurde mitgeteilt, daß insgesamt 83 Straßenbrücken zerstört worden seien, und einige davon wurden besichtigt.
34. Was das Kommunikationswesen betrifft, so wurde der Mission mitgeteilt, daß alle Telefonleitungen im Inland und ins Ausland zerstört wurden, mit Ausnahme einer begrenzten Ortsvermittlung in einer einzigen Stadt. Die Mission hatte Gelegenheit, eine Reihe kriegsbeschädigter oder zerstörter Einrichtungen zu besichtigen, und erlebte die Situation im Großraum Bagdad und anderen städtischen Gebieten am eigenen Leibe. Kommunikation im Irak findet heute auf der Basis persönlicher Kontakte statt, da auch die Postdienste zum Erliegen gekommen sind.
35. Die Energieversorgung spielt im Irak eine besonders wichtige Rolle wegen der hohen Stufe der Urbanisierung (ca. 72% der Bevölkerung leben in Städten), seiner Industrialisierung und seiner langen, sehr heißen Sommer. Der Energiebedarf wurde vor dem Krieg mit Öl- und raffinierten Produkten (85%), Elektrizität (14,8%) und aus anderen Quellen (0,2%) gedeckt. Etwa 30% des Stroms wurde mit Wasserkraft erzeugt. Die Bombardierungen haben den Öl- und Elektrizitätssektor beinahe vollständig lahmgelegt. Stromerzeugung und Raffineneproduktion sind heute unbedeutend und werden vor Abschluß der ersten Reparaturphase nicht wieder aufgenommen werden. Die begrenzte und sporadische Stromversorgung in einigen Wohngebieten und für medizinische Einrichtungen stammt von mobilen Generatoren. Offiziell fand seit Februar praktisch kein Verkauf von Benzin an private Verbraucher mehr statt. Die Mission erfuhr, daß die einzigen derzeit erhältlichen Benzin-, Öl- und Schmiermittelprodukte Heizöl (auf 60 Liter im Monat pro Familie rationiert) und Flüssiggas sind, das auf eine Flasche pro Monat und Familie rationiert ist. Die Behörden erklärten, daß die Vorräte an diesen beiden Produkten nahezu erschöpft sind und mit der Einstellung ihrer Verteilung innerhalb der nächsten zwei bis vier Wochen zu rechnen ist.
Zwar wurde mit Aufräumungsarbeiten und der Schadenbestandsaufnahme begonnen, doch werden diese Aktivitäten durch den Mangel an Kommunikations- und Transportmitteln verzögert. Erste Besichtigungen sollen ergeben haben, daß die für einen Beginn der Stromerzeugung und Ölraffinierung auf kleinster Stufe erforderlichen Reparaturen zwischen vier und dreizehn Monaten in Anspruch nehmen könnten. Der zur wirksamen Durchführung humanitärer Aktivitäten erforderliche Mindestbedarf würde etwa 25% des zivilen Treibstoffverbrauchs vor dem Krieg betragen müssen. Wird dieses Niveau nicht erreicht, könnte dies angesichts des unmittelbar bevorstehenden Beginns der heißen Sommermonate verheerende Folgen für Ernährung, Wasserversorgung und Hygiene und damit für die gesundheitlichen Verhältnisse - haben. Es scheint unvermeidlich, daß diese Treibstoffimporte sofort stattfinden müssen, und außerdem werden auch Anlagen und Ersatzteile benötigt werden, um den Irak in den Stand zu setzen, seine humanitären Bedürfnisse so bald wie möglich selbst zu befriedigen. In Anbetracht des Zustands der Wirtschaft dieses Landes und seiner sozialen Verhältnisse und in Anbetracht der beschränkten Gütertransportmöglichkeiten, die aller Wahrscheinlichkeit nach für absehbare Zeit weiterbestehen werden, wäre es selbst unter günstigsten Bedingungen schwierig oder unmöglich, diesen Bedürfnissen von außerhalb Rechnung zu tragen.
36. Während meiner letzten Gespräche in Bagdad am 16. März wies ich darauf hin, daß es möglich sein muß, die effektive Verwendung aller Lieferungen, die möglicherweise in Zukunft unter der Verantwortung der Vereinten Nationen durchgeführt werden, zu beurteilen. Die Regierung versicherte der Mission, daß sie ein System zur Überwachung von Importen und deren Verwendung akzeptieren würde.
F. Bemerkungen
37. Der obige Bericht schildert so genau, wie es der Mission unter Einbeziehung aller Quellen einschließlich umfangreicher eigener Beobachtungen möglich war, die Situation, die sie, innerhalb der verfügbaren Zeit und der bereits erwähnten Reisebeschränkungen, im Hinblick auf erforderliche humanitäre Maßnahmen im Irak während der Woche vom 10. bis 17. März festgestellt hat. Ich bin, wie alle meine Kollegen, überzeugt, daß eine größere Beschaffung und Beförderung von Hilfsmitteln notwendig ist, um mit Aspekten dieser tiefen Krise in den Bereichen Landwirtschaft und Ernährung, Wasser, Hygiene und Gesundheit fertig zu werden. Doch die Situation wirft auch andere brennende Fragen auf.
Denn es wird schwierig, wenn nicht unmöglich sein, diese unmittelbar erforderlichen humanitären Maßnahmen durchzuführen, ohne gleichzeitig und mit der gleichen Dringlichkeit den grundlegenden Energiebedarf zu decken. Dazu bedarf es zunächst sofortiger Ölimporte und der raschen Wiederherstellung begrenzter Raffinierungs- und Stromerzeugungskapazitäten, wobei Zulieferungen aus anderen Ländern unerläßlich sind. Andernfalls können importierte Nahrungsmittel nicht konserviert und verteilt, kann Wasser nicht gereinigt, können Abwässer nicht abgepumpt und geklärt, Felder nicht bewässert, Medikamente nicht dorthin gebracht werden, wo sie gebraucht werden kann nicht einmal bestehender Bedarf effektiv beurteilt werden. Es ist unverkennbar, daß das irakische Volk möglicherweise bald von einer weiteren Katastrophe heimgesucht wird, die Seuchen und Hungersnot einschließt, wenn nicht schnell massive lebenserhaltende Maßnahmen durchgeführt werden. Der lange Sommer mit seinen oft 45 oder gar 50 Grad Celsius ist nur noch Wochen entfernt. Die Zeit ist kurz.