
Bild: Miguel Bruna via unsplash
Der Kampf um Gleichberechtigung gerät weltweit in Bedrängnis – Die Beharrungskräfte des Patriarchats sind groß. Was trennt, was verbindet Feminist:innen in allen Teilen der Welt – damals und heute?
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Der Kampf um Gleichberechtigung gerät weltweit in Bedrängnis – Die Beharrungskräfte des Patriarchats sind groß. Was trennt, was verbindet Feminist:innen in allen Teilen der Welt – damals und heute?
Im ersten Deutschen Bundestag ist es noch keine Selbstverständlichkeit, dass eine Frau ans Rednerpult tritt. Mit dem Satz „Der nächste Redner ist eine Dame“, kündigt Bundestagspräsident Erich Köhler am 12. Mai 1950 während der Haushaltsberatungen die erste Rede der Marburger CDU-Abgeordneten Anne Marie Heiler an.
Es dauert noch 131 Jahre, bis wir alle gleichberechtigt leben können”, vermeldete kürzlich das feministische Portal „Pinkstinks” und berief sich dabei auf Zahlen des „Global Gender Gap Reports 2022“ des Weltwirtschaftsforums. Solche Berechnungen sind so alt wie die Gleichstellungspolitik und illustrieren das Mindset, in dem wir häufig über Geschlechterverhältnisse und Frauenemanzipation sprechen.
Frauen sind in immer höheren Machtpositionen vertreten. Und je sichtbarer sie werden, desto mehr Gewalt erfahren sie, weil sie Frauen sind: Femizide, sexuelle Übergriffe, Stalking, Hetze.
Dass der zentrale Protestslogan im Iran „Frau, Leben, Freiheit“ lautet, ist alles andere als ein Zufall. Denn die Feindschaft gegen Frauen gehört von Beginn an zu den politischen Grundpfeilern der Islamischen Republik Iran.
Die Debatte um eine Reform des Abtreibungsrecht ist in vollem Gang. Gesine Agena, Patricia Hecht und Dinah Riese forderten schon im März 2022 eine konsequente Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen
Frauen tragen nach wie vor die Hauptverantwortung für Hausarbeit, Kinderbetreuung und vor allem für die sogenannte mentale Arbeit, für das „Gesamtmanagement“. In Kombination mit der zunehmenden Berufstätigkeit von Frauen führt dies zu dramatischen Erschöpfungszuständen.
Die Frage nach dem Geschlecht ist immer auch eine politische. Denn alte binäre Geschlechternarrative lassen sich nicht auf moderne Familienmodelle übertragen.
Crime Minister“ lautet einer der Slogans, mit dem tausende Israelis seit Mitte Juli mehrfach wöchentlich in israelischen Städten, vor allem aber vor der Residenz von Benjamin Netanjahu in der Jerusalemer Balfour Straße demonstrieren. Sie fordern nichts weniger als den Rücktritt des Ministerpräsidenten, der sich wegen Korruption vor Gericht verantworten muss. Auch der Ärger über das miserable Krisenmanagement der Regierung angesichts der Covid-19-Pandemie bricht sich bei den Protesten Bahn.
Der Kampf um Gleichberechtigung gerät weltweit in Bedrängnis. Gleichzeitig erleben wir jedoch einen Neuaufbruch, ja möglicherweise sogar eine neue Welle transnationaler feministischer Bewegungen.
Weltweit ist der Kampf gegen Frauenrechte ein zentrales Motiv rechtspopulistischer, ultra-religiöser und illiberaler Bewegungen. Doch wie funktioniert diese Verbindung von reaktionären Geschlechterbildern und nationalistischer Politik?
Der Feminismus hat mein Leben verändert. Nicht nur im übertragenen Sinne. Das auch. Zunächst bescherte der Feminismus mir jedoch meinen glänzenden deutschen Pass. Na ja, meinen nicht mehr ganz so glänzenden Pass, weil ich ihn ständig mit mir herumtrage, um zu beweisen, dass ich wirklich ich bin.
Als sich Ende April im Vorfeld des G20-Gipfels 200 Frauen aus den Führungsetagen von Politik und Wirtschaft in Berlin zum W20-Gipfel trafen („W“ steht für Woman), verfolgten sie ein gemeinsames Ziel: die Rolle der Frauen in der Wirtschaft zu stärken.
Nicht nur der Kapitalismus, sondern auch die „Care-Arbeit“ steckt derzeit in einer tiefen Krise.
„Fleischereifachverkäufer/in gesucht. Voll- oder Teilzeit.“ Als Illustration dient dieser Stellenausschreibung eine blonde Frau mit einer Keule, die sie am schmalen Ende gefasst und sich lässig über die Schulter geschwungen hat. Die andere Hand in die Hüfte gestemmt posiert sie so als tatkräftige Angestellte einer Metzgerei – im Bikini.
Dass der Feminismus wichtig ist und noch viel zu tun hat, ist keine Minderheitenmeinung mehr. Nach Jahrzehnten des zaghaften Sichfügens erheben Frauen, Mädchen und ihre Verbündeten in aller Welt wieder die Stimme, um einen besseren Deal einzufordern, nicht nur nach dem Gesetz, sondern in der Praxis.
Wir wollten die Welt verändern, und sie haben uns die Gleichstellung angeboten“ – so fasst die italienische Philosophin Luisa Muraro das Dilemma der heutigen Frauenbewegung zusammen.[1] Und vielleicht kann man die gegenwärtigen Feminismusdebatten tatsächlich so verstehen:
Frauen verdienen nicht nur weniger als Männer, sondern sind auch nach wie vor für den Großteil der Reproduktionsarbeit zuständig: für den Haushalt, die Kindererziehung und die Pflege Angehöriger. Um diese sexistische Arbeitsteilung zu beenden, braucht es eine radikale Neubewertung fürsorglicher Arbeit, fordert Sebastian Dörfler.
Freier dürfen aufatmen in Deutschland. Wer sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nimmt, wird auch künftig nicht strafrechtlich belangt. So jedenfalls will es der Koalitionsvertrag.
Die zweite Welle der Frauenbewegung entstand einst als Kritik an zentralen Institutionen des Nachkriegskapitalismus. Inzwischen aber ist sie selbst zur Handlangerin eines neuen, deregulierten Kapitalismus geworden. Diese gefährliche Liaison gilt es aufzubrechen, fordert Nancy Fraser.
So unterschiedlich die Entwürfe alternativer Wirtschaftsformen – von Grüner Ökonomie über Postwachstum bis hin zur Solidarischen Ökonomie – auch sind, so eint sie doch ihr Schweigen zur Frage der Geschlechtergerechtigkeit, kritisiert die Politikwissenschaftlerin Christine Bauhardt.
„Wahlverwandtschaften“ – der Begriff ist eine gängige Metapher für unklare Verhältnisse. Goethes gleichnamiger Roman, der 1809 erschien, dreht sich um eine scheiternde Ehe. In ihm verhandelt Goethe den Konflikt zwischen regulierter Konvention und Leidenschaft, sehr vereinfacht gesagt, Geschichten zwischen Männern und Frauen.
„Doch diese Segnungen der Liebe sind selten: Zur Zeit kommen auf jede befriedigende Liebesbeziehung, auf jede kurze Zeit der Bereicherung, zehn niederschmetternde Liebeserfahrungen, gefolgt von lang anhaltenden ‚Tiefs‘ voller Liebeskummer, die häufig zur Zerstörung der Betroffenen führen oder zumindest einen emotionalen Zynismus auslösen