Ausgabe Oktober 1991

Hauptaufsätze

Vormalige Säulen der Macht.

Der Wandel des politischen Systems, der in der Sowjetunion 1983 begonnen hatte und dann 1987 mit "Glasnost", Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit und Demokratisierungsbestrebungen eine neue Qualität gewann, um 1989 schließlich in einen Prozeß der Parlamentarisierung überzugehen, stellte die traditionellen Machtinstrumente des Sowjetstaates zur Dispositi

Der Aufbruch der Russisch-Orthodoxen Kirche

Die Russisch-Orthodoxe Kirche (ROK) in der Sowjetunion war, wie alle anderen Religionsgemeinschaften, im Zuge der Stalinschen "Säuberungen" 1937 institutionell faktisch vernichtet. 1943 suchte Stalin dann die Unterstützung der Kirchen im Krieg gegen Hitler-Deutschland und sicherte ihr den Wiederaufbau zu. Das kirchliche Leben entfaltete sich daraufhin fast schlagartig.

Rußland und das Erbe der Union

Die alte Sowjetunion besteht nicht mehr. Was die Unabhängigkeitsbewegung der baltischen Republiken und die eher deklamatorischen Souveränitätserklärungen der übrigen Republiken nicht bewirkt hatten, der gescheiterte Putsch hat das Schicksal der Union als eines zentralistischen Einheitsstaates besiegelt.

Dem Islam sind Flügel gewachsen

Vor dreizehn Jahren machte Helene Carrere d'Encausse auf die wachsende Kluft aufmerksam, die sich zwischen europäischen und orientalischen Regionen der UdSSR in der demographischen, sozialökonomischen und kulturellen Entwicklung öffnete.

Die veränderte Situation Südosteuropas

Der Zusammenbruch des realsozialistischen Herrschafts- und Gesellschaftssystems sowie des von der Sowjetunion dominierten Staatensystems in Osteuropa vollzieht sich seit Ende der 80er Jahre in mehreren Etappen und in den verschiedenen Ländern auf unterschiedliche Weise. Bis zum August 1991 waren d r e i G r u p p e n von Ländern in Osteuropa zu unterscheiden.

Ukraine, die neue Nummer zwei

Wie überall in den Republiken hat der gescheiterte Putsch auch in der Ukraine zu plötzlichen und dramatischen Verschiebungen der politischen Situation geführt. Am 24. August beschloß der ukrainische Oberste Sowjet, die Unabhängigkeit des Landes zum Gegenstand eines für den 1.

Japan und die Perestroika

Japan spielte im internationalen Geschehen um den Moskauer Putsch seine traditionelle weltpolitische Rolle weiter, ebenso wie zuvor im Golfkonflikt - die eines Zuschauers. Mit einem Unterschied: Beim Golfkonflikt war man zahlender Zuschauer. Im Falle der Moskauer Ereignisse lugte man über den Zaun, ohne Bereitschaft zu finanziellem Engagement erkennen zu lassen.

Vom Feudalkommunismus zum Frühkapitalismus.

Der Kommunismus verlagert sich in den Süden" 1) - so faßte die populäre "Komsomolskaja Prawda" die Reaktion mittelasiatischer Sowjetrepubhken auf die Folgen des Augustputsches zusammen. Das Verdikt scheint nicht unbegründet zu sein, denn alle fünf Republiken - Usbekistan, Kasachstan, Kirgisien, Turkmenistan und Tadschikistan, Gesamtbevölkerung ca.

Die neue politische Landkarte Europas

Die Kartographen haben Hochsaison, und gegenwärtig muß man sich fragen, ob es überhaupt noch Zweck hat, neue Staatenkarten vom Kontinent zu drucken, wo sich innerhalb von Monaten, wenn nicht Wochen neue Länder bilden.

Georgien zwischen Phantasie und Fanatismus

Heute, am 8. September 1991, habe ich in Deutschland in den Nachrichten gehört, der georgische Präsident Zviad Gamsachurdia habe nun auch den KGB sowie das Justiz- und das Innenministerium persönlich übernommen. Der Weg in die Diktatur zeichnet sich schon lange ab.

Kontinuität und Bruch.

Der gescheiterte Putschversuch vom 18./19. August 1991 wird von vielen in West und Ost als herausragendes Ereignis gesehen, als Wendepunkt, von dem aus neu und anders gedacht und gehandelt werden kann und muß.

Eine neue Hanse?

Die EFTA-Länder, dann Ungarn, Polen und die Tschechoslowakei, schließlich die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen - so umriß Außenminister Hans-Dietrich Genscher am 4. September dieses Jahres vor dem Deutschen Bundestag die Etappenziele auf der Assozziiüerungs-Agenda für die Europäische Gemeinschaft.

Was bleibt von der Union?

"Die Union ist tot, es lebe die Union", wandelte der einflußreiche Petersburger Bürgermeister, Anatoli Sobtschak, einen berühmten französischen Ausspruch um. Das Scheitern des Augustputsches besiegelte das Ende der bisherigen sowjetischen Zentralmacht.

Was wird aus den Kommunisten?

Kann man hinsichtlich der meisten Folgen des Putschversuchs vom 19. August 1991 sagen, daß sie auf eine Weiterführung von Gorbatschows Politik mit anderen Mitteln nämlich konsequenter, beschleunigt und rücksichtsloser - hinauslaufen, so gilt das nicht für die KPdSU. Die älteste kommunistische Partei ist ziemlich ruhmlos von der politischen Bühne abgetreten.

Dokumente zum Zeitgeschehen

Erklärung des Staatskomitees für den Ausnahmezustand vom 19. August 1991 (Wortlaut)

In Verbindung damit, daß der Gesundheitszustand Michail Sergejewitsch Gorbatschows es unmöglich macht, die Aufgaben des Präsidenten der UdSSR auszuüben und daß in Übereinstimmung mit dem Artikel 127/7 der Verfassung der UdSSR die Vollmachten des Präsidenten der UdSSR an den Vizepräsidenten Gennadi Iwanowitsch Janajew übergegangen sind:

Chronik des Zeitgeschehens

Chronik der Zeit: 6.August bis 5.September 1991

6.8. -Jugoslawien. Die Außenminister der Europäischen Gemeinschaften beraten in Den Haag über das weitere Vorgehen in der Jugoslawienkrise. Die EG-Kommission wird beauftragt, Pläne für mögliche Wirtschaftssanktionen auszuarbeiten.

Editorial

Zerfall oder Neugründung - Was kommt nach der Sowjetunion?

Der gescheiterte Staatsstreich in Moskau vom 19. August und der ihm folgende Umbruch - manche sprechen angesichts der von Jelzin nach seinem Sieg ergriffenen Maßnahmen, deren Richtschnur zweifellos nicht ihre „Verfassungsmäßigkeit" war, von einem Gegenputsch - bezeichnen einen tiefen Einschnitt in die Geschichte.