Thema Kapitalismus

Nebelkerze Green New Deal

Wer politisch ernst genommen werden will, muss heute Wunder versprechen. Der Trick kann gelingen, wenn vielstimmig das Lied von der nahen „Klimaneutralität“ kapitalistischer Industriegesellschaften gesungen wird. Bei aller ernsten Sorge um den Zustand unseres Planeten obsiegt die Hoffnung, dass das Weltsystem des Kapitalismus – das zugleich eine Weltökologie hervorgebracht hat – gestärkt, verjüngt und von Grund auf erneuert aus jenen chaotischen Prozessen hervorgehen möge, die seine Ausdehnung bis in die entlegensten Winkel der Erde nach wenig mehr als drei Jahrhunderten ausgelöst hat.

Systemwandel oder Klimakollaps

Die industrielle Zivilisation hat das Leben auf der Erde in das sechste große Artensterben seiner Geschichte gestürzt. Auch der Homo sapiens wird davon nicht unberührt bleiben: Wenn Nahrungsketten reißen, maritime Ökosysteme zusammenbrechen, die Himalaja-Gletscher und mit ihnen die wichtigsten Süßwasserquellen Asiens schwinden, wenn die Bestäubung von wichtigen Nutzpflanzen durch zu hohe Temperaturen oder durch das Verschwinden von Insekten ausbleibt, kann es schon in den nächsten Jahrzehnten zu einem Zusammenbruch der globalen Nahrungsmittelproduktion kommen.

Das Imperium des Rechts

Sie sieht aus wie der Umriss eines Elefantenkopfes, jene Linie, die das Wachstum und die Menge des Vermögens darstellt, das weltweit zwischen 1980 und 2017 auf verschiedene Einkommensgruppen entfallen ist; passenderweise wird sie daher als „Elefanten-Kurve“ bezeichnet. Die breite Stirn repräsentiert 50 Prozent der Weltbevölkerung, die in den letzten 35 Jahren nur mickrige zwölf Prozent des globalen Einkommenszuwachses für sich verbuchen konnten. Von der Stirn führt eine Linie zum Rüssel hinab und von dort aus steil nach oben zu seiner erhobenen Spitze.

Mehr New Deal wagen: Joe Biden und die Gefahr des alten Denkens

Mit seiner Dankesrede auf dem Nominierungsparteitag der US-Demokraten weckte Joe Biden ein wenig Hoffnung: Als er gleich zu Anfang Franklin D. Roosevelts New Deal heraufbeschwor, schien es, als habe der demokratische Präsidentschaftskandidat zumindest in groben Zügen das Ausmaß der Coronakrise begriffen. Doch bevor Biden überhaupt zu sprechen begonnen hatte, untergrub der Kopf seines Übergangsteams, der frühere Senator Ted Kaufman, diese Hoffnung schon wieder.

Die Schweiz als Exempel: Das CO2 und sein Preis

In Deutschland wurde vor der Coronakrise heftig über Sinn und Unsinn eines CO2-Preises debattiert. Strittig war dabei vor allem das Klimapaket der Bundesregierung. Es sieht für 2021 einen Einstiegspreis von 25 Euro pro Tonne CO2 vor, der bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne steigen soll. Die Schweiz ist da schon weiter. Dort wurde bereits 2008 eine Abgabe auf Kohlendioxid eingeführt. Inzwischen liegt der Preis für eine Tonne Kohlendioxid bei umgerechnet knapp 89 Euro.

Normale Anomalie

Die Coronakrise hält die Welt in Atem und verändert das Leben in rasendem Tempo. Vermeintlich fest verankerte Gewiss- und Gewohnheiten werden über Bord geworfen, Grundrechte und -regeln außer Kraft gesetzt, in Friedenszeiten historisch beispiellose und für Nachkriegsgenerationen eigentlich undenkbare Restriktionen individueller Freiheiten von den staatlichen Exekutiven beschlossen. Fest steht: Die Coronakrise ist eine neu- und einzigartige Krise.

Eigentum auf Zeit

Die konservative Revolution der 1980er Jahre, der Zusammenbruch des Sowjetkommunismus und das Aufkommen einer neuen Ideologie neoproprietaristischen Typs haben der Welt in diesem beginnenden 21. Jahrhundert beeindruckende Niveaus einer Einkommens- und Vermögenskonzentration beschert, die offenbar außer Kontrolle geraten ist. Diese Ungleichheiten führen allenthalben zu wachsenden sozialen Spannungen.