Selbstverschuldet erpressbar: Europa im Ukrainekrieg
Die EU wirkt schlecht vorbereitet auf den fundamentalen Umbruch der Weltordnung, den wir derzeit beobachten.
Die EU wirkt schlecht vorbereitet auf den fundamentalen Umbruch der Weltordnung, den wir derzeit beobachten.
Wenn man derzeit allenthalben den Eindruck haben muss, dass eine lange Zeit des Friedens zu Ende geht und der zwischenstaatliche Krieg nach Europa zurückgekehrt ist, ist es naheliegend, darüber nachzudenken, was die Voraussetzungen einer neuen Ära des Friedens sind.
Die reichsten und mächtigsten Menschen der Welt reihen sich hinter einem autoritären Herrscher ein, dessen Regierung die US-Demokratie zerstört. Der rechte Autoritarismus schreitet voran – politisch, gesellschaftlich, technologisch.
Kein anderer Bereich steht so für die Beharrungskräfte fossiler Geschäftsmodelle wie der Individualverkehr. Europäische Nachbarn zeigen, wie es besser geht.
Am 28. Juni erlebte Budapest etwas, was Ministerpräsident Viktor Orbán um jeden Preis verhindern wollte: den größten Protestmarsch in der Geschichte Ungarns. Was als „30. Budapest Pride“ geplant war, verwandelte sich in eine machtvolle Demonstration gegen das autoritäre Regime.
Es war eine große Überraschung für weite Teile der internationalen Gemeinschaft: Am 21. Juni ließ das belarussische Regime 14 politische Gefangene frei. Unter ihnen befand sich Siarhei Tsikhanouski, der 2020 verhaftet wurde, um seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen zu verhindern.
Vor fünfzig Jahren, am 1. August 1975, wurde mit der Unterzeichnung des Abkommens von Helsinki die Unverletzlichkeit der nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Grenzen anerkannt. Wie wir wissen, dauerte die Ordnung von Helsinki etwa fünfzehn Jahre. Die Sowjetunion hörte auf zu existieren, und die Länder Ost- und Mitteleuropas fanden ihren Weg zu Freiheit und Eigenstaatlichkeit.
Am 1. Juni um Punkt 21 Uhr war die Welt im polnischen Mitte-links-Lager noch in Ordnung. Im Warschauer Museum für Völkerkunde leuchtete die Prognose für die Präsidentschaftsstichwahl auf: Mit einem Stimmenanteil von 50,3 Prozent wurde ein enger Sieg von Rafał Trzaskowski vorhergesagt.
Tunesien galt nach der Revolution als Leuchtturmdemokratie des Mittleren Ostens und Nordafrikas. Doch mittlerweile hat sich das Land hin zum EU-Grenzwächter gewandelt.
Es ist eine von jenen scheinbar unwichtigen Nachrichten, die rückblickend wie ein übersehenes Vorzeichen wirken können: Anfang Mai erschien in Russland ein Buch, zu dem Außenminister Sergej Lawrow ein Vorwort beisteuerte. Die These des von Regimeseite derart gewürdigten Werkes: Eine litauische Nation und Sprache gebe es nicht.
An einem Freitagabend, zwei Tage vor seinem Wahlsieg bei der Parlamentswahl am 11. Mai, trommelte Edi Rama noch einmal seine Mannschaft in einem Fußballstadion zusammen. Fast die gesamte Führungsriege der Partia Socialiste e Shqipërisë, der Sozialistischen Partei Albaniens, war gekommen.
Angesichts des Rückzugs der USA aus Europa plädierten in den vergangenen Ausgaben diverse Autoren für die militärische Stärkung Deutschlands wie der EU gegen das expansive, revisionistische Russland unter Putin. Der Politikwissenschaftler Johannes Varwick hinterfragt die dieser Position zugrundeliegende Bedrohungsanalyse.
Die Invasion des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine im Februar 2022 hat den Lauf der Geschichte verändert. Selbstverständlich betraf dies auf unmittelbarste Weise die Ukrainerinnen und Ukrainer, die seiner brutalen Aggression ausgesetzt waren. Aber der Krieg hat auch Russland sehr viel stärker verändert, als die meisten Außenstehenden es erfassen.
„Das normale Vergessen ist der programmierte Zelltod des geistigen Lebens. Es formt die Erfahrung zu einer nützlichen Geschichte“, schreibt der amerikanische Schriftsteller Lewis Hyde. Da es keinen Grund gibt, ihm zu widersprechen, stellt sich eine nicht minder logische Frage – nützlich für wen?
„Liberation Day“, Tag der Befreiung, nannte Donald Trump jenen 4. April 2025, an dem er im Rosengarten des Weißen Hauses vor seine andächtigen Anhänger trat, um mit der Ankündigung von Zollerhöhungen ein gewaltiges Börsenbeben auszulösen und die Welt in Aufruhr zu versetzen. Damit konterkariert dieser Tag den 8. Mai 1945, der bislang als „Tag der Befreiung“ galt.
Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.
Es gibt nicht viele Themen, die in ganz Spanien Menschen auf die Straße bringen. Landesweite Demonstrationen prägen in der Regel den Weltfrauentag am 8. März, ansonsten vereint wenig das heterogene und politisch hochpolarisierte Land. Eine Ausnahme bildet das Thema Wohnraum.
Die moderne Eventhalle in Gliwice im Südwesten Polens war abgedunkelt, die 20 000 Plätze waren restlos belegt. Nach einer Lichtshow ertönte ein Rocksong als Einlaufmusik. Schließlich betrat ein Mann im marineblauen Anzug die 360-Grad-Bühne.
Massenproteste, Tränengas, Razzien. Die Verhaftung und Amtsenthebung des populären Oberbürgermeisters von Istanbul, Ekrem Imamoğlu, hat die Türkei politisch mobilisiert. Seit der Niederschlagung der Gezi-Proteste vor zwölf Jahren gab es kein vergleichbares Aufbegehren mehr.
Von Stettin an der Ostsee bis hinunter nach Triest an der Adria zieht sich ein ‚Eiserner Vorhang‘ über den Kontinent.“ Mit diesem Satz beschrieb der britische Premierminister Winston Churchill im März 1946 in einer historischen Rede in Fulton im US-Bundesstaat Missouri die Teilung Europas.
„Slawa Ukraini: Ruhm der Ukraine!“ Auch in Deutschland ist diese Parole zum Symbol der Unterstützung des ukrainischen Kampfes gegen den russischen Angriffskrieg geworden. Nach der Lektüre des Buches von Grzegorz Rossoliński-Liebe gehen einem diese Worte aber nicht mehr so leicht über die Lippen.
Sollte – oder vielleicht auch kann – man über Geschichte schon schreiben, während sie noch qualmt?“, fragte die Zeithistorikerin Barbara Tuchman 1964. Wer versucht, die „Epoche der Mitlebenden“ in Worte zu fassen, geht stets das Risiko des Irrtums ein. Doch wenn sich eine Einschätzung nach wenigen Stunden mit einer neuen Meldung auf X als überholt erweisen kann, ist das mehr als das gewöhnliche Berufsrisiko der Zeitdiagnostik.
Die nächste Empfängerin des Aachener Karlspreises heißt Ursula von der Leyen. Ausgezeichnet wird sie Ende Mai auch „für ihre Impulse zum Green Deal“. Die bittere Ironie: In ihrer zweiten Amtszeit legt sie die Axt an dessen Kernprojekte.
Serbiens Machthaber Aleksandar Vučić hat den Groll seiner Landsleute auf sich gezogen: Seit Monaten demonstrieren Studierende und Aktivist:innen in mehreren Teilen Serbiens gegen die Korruption und den überbordenden Machtmissbrauch im Land. Hunderttausende gingen in serbischen Städten auf die Straßen – eine ähnliche Mobilisierung hatte es zuletzt unter dem ehemaligen Machthaber Slobodan Milošević gegeben.
Die größte Insel der Welt steht vor einem Regierungswechsel: Bei den jüngsten Wahlen zum grönländischen Parlament am 11. März wurde die liberale Partei Demokraatit mit knapp 30 Prozent der Stimmen überraschend stärkste Kraft, sie konnte ihr Ergebnis der vorangegangenen Wahl mehr als verdreifachen.