Thema Europa

Die neueste Unübersichtlichkeit: Der Westen und seine Feinde

Sollte – oder vielleicht auch kann – man über Geschichte schon schreiben, während sie noch qualmt?“, fragte die Zeithistorikerin Barbara Tuchman 1964. Wer versucht, die „Epoche der Mitlebenden“ in Worte zu fassen, geht stets das Risiko des Irrtums ein. Doch wenn sich eine Einschätzung nach wenigen Stunden mit einer neuen Meldung auf X als überholt erweisen kann, ist das mehr als das gewöhnliche Berufsrisiko der Zeitdiagnostik.

Von der Leyen 2.0: Abschied vom Green Deal?

Die nächste Empfängerin des Aachener Karlspreises heißt Ursula von der Leyen. Ausgezeichnet wird sie Ende Mai auch „für ihre Impulse zum Green Deal“. Die bittere Ironie: In ihrer zweiten Amtszeit legt sie die Axt an dessen Kernprojekte.

Serbien: Massenproteste gegen die Kleptokratie

Serbiens Machthaber Aleksandar Vučić hat den Groll seiner Landsleute auf sich gezogen: Seit Monaten demonstrieren Studierende und Aktivist:innen in mehreren Teilen Serbiens gegen die Korruption und den überbordenden Machtmissbrauch im Land. Hunderttausende gingen in serbischen Städten auf die Straßen – eine ähnliche Mobilisierung hatte es zuletzt unter dem ehemaligen Machthaber Slobodan Milošević gegeben.

Grönland: Unabhängigkeit oder feindliche Übernahme

Die größte Insel der Welt steht vor einem Regierungswechsel: Bei den jüngsten Wahlen zum grönländischen Parlament am 11. März wurde die liberale Partei Demokraatit mit knapp 30 Prozent der Stimmen überraschend stärkste Kraft, sie konnte ihr Ergebnis der vorangegangenen Wahl mehr als verdreifachen.

Das Ende der Schutzmacht

US-Präsident Donald Trump und sein Team brauchten nur zwei Wochen, um eherne Prinzipien amerikanischer Außenpolitik zu zerschlagen: „Was am Freitag dem 28.2. im Oval Office geschah, war etwas, was sich noch niemals in der fast 250-jährigen Geschichte dieses Landes zugetragen hatte: In einem großen Krieg in Europa stellte sich unser Präsident klar auf die Seite des Aggressors."

Merzens Zeitenwende: Putin und Trump gegen Europa

Deutschland hat gewählt und das Ergebnis lautet: Das Land strahlt in Schwarz-Blau und Friedrich Merz wird voraussichtlich neuer Bundeskanzler. Erstmalig seit den Anfängen der Republik existiert eine rechts-konservative Mehrheit, da die AfD nun auch im Bund voll „angekommen“ ist.

Kickl, Orbán, Vučić : Die neue autoritäre Achse

Als Donald Trump am 8. November 2016 das erste Mal zum Präsidenten der USA gewählt wurde, unterrichtete ich ausgerechnet am nächsten Tag in einem internationalen Masterstudienlehrgang an der Universität Wien, in dem auch einige US-amerikanische Studierende saßen. An diesem Morgen befanden sie sich im Schockzustand, einige weinten sogar.

Irland: Konservativ aus Gewohnheit

Fast könnte es scheinen, als sei die politische Lage in der Republik Irland wohltuend ruhig, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern geradezu langweilig. Derzeit verhandeln die schon seit 2020 gemeinsam regierenden konservativen Parteien Fianna Fáil (FF) und Fine Gael (FG) erneut über die Bildung einer Koalition.

Versehrt und ausgezehrt

Das neue Jahr begann in der Ukraine genauso wie das alte geendet hatte: mit Luftalarm. Nur wenige Stunden war der Jahreswechsel her, da stand die Hauptstadt Kyjiw bereits wieder unter Beschuss. Wohnhäuser und das Gebäude der Zentralbank wurden von russischen Drohnen getroffen; ein prominentes Wissenschaftler:innenpaar kam ums Leben, mehrere Personen, darunter zwei schwangere Frauen, wurden verletzt.

Nicht ein Wort des Erschreckens

Franco Melandri diente als Leutnant der Alpini, der italienischen Gebirgsjäger, in Mussolinis Armee. Als solcher marschierte er in die Sowjetunion ein und trat später den chaotischen Rückzug an. Anders als in Deutschland, wo sich die Kriegsgeneration öffentlich in Schweigen hüllte, wurde in Italien über diese Ritirata di Russia, den „Rückzug aus Russland“ gesprochen.

G7 mit Trump: Die Selbstlähmung des Westens

Eigentlich war das Superwahljahr 2024 dazu prädestiniert, ein globales Fest der Demokratie zu werden: Fast die Hälfte der Weltbevölkerung in mehr als 60 Staaten war dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Doch ausgerechnet die prominentesten Vertreter der westlichen liberalen Demokratien gingen beispiellos geschwächt aus dem Superwahljahr hervor.

Trump, Putin und das einsame Europa

Es ist einer jener Zufälle, die wirken, als stammten sie aus einem Drehbuch. Am 1. Januar kommt es in der EU zu einem Stabwechsel, der kaum symbolträchtiger sein könnte: Ungarns halbjährige Ratspräsidentschaft endet, die von Polen beginnt. Viktor Orbán, der Autokrat, Putin-Verbündete und Trump-Bewunderer, übergibt an Donald Tusk, der im eigenen Land die Populisten zurückgedrängt hat und in Europa, gewissermaßen an vorderster Front, die Verteidigung gegen Moskaus Dominanzstreben organisiert.

Europa in der Faschismuszange

Einen derartigen Doppelschlag hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben: An dem Tag, an dem mit Donald Trump die Herrschaft der Lüge, der Hetze und des Fossilismus („Drill, baby, drill“) zurückgekehrt ist, endete gleichzeitig nach nur drei Jahren und auf denkbar klägliche Weise eine Koalition, die mit dem Anspruch angetreten war, für eine sozial-ökologische Transformation zu sorgen.

Georgien: Mit Wahlbetrug in die russische Welt

Glaubt man der staatlichen Wahlkommission, so erhielt die regierende Partei „Georgischer Traum“ bei den Parlamentswahlen 54 Prozent der Stimmen. Für Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili dagegen sind die offiziellen Ergebnisse der Wahl am 26. Oktober das Resultat einer „russischen Spezialoperation“.

Spanien: Die Wut nach der großen Flut

Wütende Anwohner, die das spanische Königspaar mit Schlamm bewerfen, Sprechchöre wie „Haut ab!“ und „Mörder, Mörder!“ gegen den konservativen Regionalpräsidenten Carlos Mazón von Valencia und den sozialistischen Premier Pedro Sánchez: Einen solchen Empfang einer offiziellen Delegation in einem Katastrophengebiet hat es in Spanien noch nie gegeben.