In schwerer See
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ So beginnt Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, beschlossen am 10. Dezember 1948. Was für ein Satz! Und ein utopischer Traum.
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ So beginnt Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, beschlossen am 10. Dezember 1948. Was für ein Satz! Und ein utopischer Traum.
In Thüringen könnte die AfD bei den Landtagswahlen 2024 zur stärksten Kraft aufsteigen – also ausgerechnet dort, wo sich eine fortschreitende Faschisierung der Partei zeigt. Erklären lässt sich das nicht zuletzt mit den langen Linien der Thüringer Geschichte: Schon die NSDAP feierte dort ihren ersten Durchbruch.
Die Berliner Theater- und Kulturwissenschaftlerin Regina Scheer hat mit „Bittere Brunnen“ ein bemerkenswertes, von der Kritik zu Recht gefeiertes Buch vorgelegt. Es ist die Biografie von Hertha Gordon-Walcher, einer weithin unbeachtet gebliebenen, aber eminent wichtigen Kommunistin, deren sozialer, aber auch individueller Emanzipationskampf eng mit dem Jahrhundert der Katastrophen verwoben ist.
Es dauert noch 131 Jahre, bis wir alle gleichberechtigt leben können”, vermeldete kürzlich das feministische Portal „Pinkstinks” und berief sich dabei auf Zahlen des „Global Gender Gap Reports 2022“ des Weltwirtschaftsforums. Solche Berechnungen sind so alt wie die Gleichstellungspolitik und illustrieren das Mindset, in dem wir häufig über Geschlechterverhältnisse und Frauenemanzipation sprechen.
Was ist aus Margarita Paillal geworden, der Mapuche[1]-Bäuerin aus Cautín, deren Foto die Titelseite der Zeitschrift „Chile Hoy“ zierte, die am 11. September 1973 an den Zeitungskiosken hing? Paillal war 30 Jahre alt und Mutter von sieben Kindern. Zusammen mit zwei anderen Mapuche-Anführern war sie in die Hauptstadt Santiago de Chile gereist, um bei Präsident Salvador Allende die Verhaftung und Folterung von Bauern in der Gegend von Temuco anzuprangern.
1983 wurde in Wittenberg unter Verantwortung des späteren „Blätter“-Mitherausgebers Friedrich Schorlemmer ein Schwert zu einer Pflugschar geschmiedet: als Symbol gegen die Aufrüstung während des Kalten Krieges. Der große Theologe und mutige Bürgerrechtler ist am 8. September 2024 im Alter von 80 Jahren gestorben.
Die Carl Friedrich von Siemens Stiftung war in den vergangenen Monaten wiederholt Gegenstand kritischer Berichterstattung in den deutschen Feuilletons. Mindestens zu Teilen hing das mit jenem Thema zusammen, von dem heute Abend ausführlich die Rede sein soll: nämlich mit dem Umgang der deutschen Deutungseliten mit der nationalsozialistischen Vergangenheit.
Während der kurzen Rebellion des Söldnerführers Jewgeni Prigoschin am 24. Juni verglich der russische Präsident Wladimir Putin den „Verrat“ des Chefs der Wagner-Paramilitärs mit den Revolutionswirren von 1917: „Intrigen, Zankereien, das Politisieren hinter dem Rücken der Armee und des Volkes führten zur großen Katastrophe“, sagte Putin in einer im Fernsehen übertragenen Rede.
Vor 70 Jahren wurde Irans demokratisch legitimierter Premierminister Mohammad Mossadegh aus dem Amt geputscht. Eine Figur, die sich in mancher Hinsicht besser als historischer Bezugspunkt für die heutige Demokratiebewegung eignen würde als der Schah, dessen Herrschaft von manchen jetzt romantisiert wird.
Repressive Regime nutzen das kollektive Gedächtnis immer wieder als einen Raum, in dem sich die Geschichte fälschen lässt, und setzen alles daran, dass neue Generationen bestimmte „unbequeme“ Episoden vergessen. Zwei Jahre nach der größten Protestbewegung in der Geschichte meines Heimatlandes Belarus scheint das Land in eine Fabrik der Amnesie verwandelt zu werden.
Reinhart Koselleck schien sich von Geburt an auf der Siegerstraße des Fortschritts zu bewegen. Doch der Sohn einer bürgerlichen Familie mit Bildung und Besitz erlebte und erlitt die Abgründe eines extremen Zeitalters – und entwickelte daraus ein Werk, das gerade in den letzten beiden Jahrzehnten weltweit übersetzt wird.
Seit dem 24. Februar 2022 schallte es aus Politik wie Medien: Zäsur! Zeitenwende! Epochenbruch! Politisch ist das durchaus verständlich – will man doch die Gesellschaften des Westens hinter sich versammeln angesichts Moskaus Feldzug gegen Kiew.
Bei den Protesten gegen die Islamische Republik ist die iranische Kaiserflagge prominent vertreten. Wie aber kann es sein, dass im Protest gegen die eine Diktatur eine andere verherrlicht wird?
Es ist ein Buch der Wut, das der Leipziger Literaturwissenschaftler Dirk Oschmann geschrieben hat und damit eine Ostdeutschlanddiskussion auslöste, die quer zu den ritualisierten Debatten verläuft, die sich sonst alljährlich um den Tag der Einheit ranken.
Ich konnte nirgends hin, nirgends. Und schließlich, wen interessierte es schon. Was mit einem unwichtigen, staatenlosen Sprachlehrer passierte, interessierte kein Schwein.“ Eric Amblers 1938 erschienener Roman „Nachruf auf einen Spion“ handelt von dem Ungarn Joseph Vadassy, der aufgrund einer Verwechslung staatenlos wird.
Die besondere Schutzverantwortung Deutschlands gegenüber Israel ist parteiübergreifender Konsens und es scheint, als wäre sie schon immer deutsche Staatsraison. In Anbetracht des demokratischen Zerfalls in Israel aber muss die deutsche Israel-Politik auf den Prüfstand gestellt werden.
Éric Vuillard erzählt den Stoff von gestern, als ob er ihn heute erlebt hätte. So auch in seinem neuen Werk: In „Ein ehrenhafter Abgang“ widmet sich Vuillard dem Ende der französischen Kolonialherrschaft in Indochina, also den heutigen Ländern Vietnam, Laos und Kambodscha.
Jahrzehntelang war Walter Jens eine Institution des öffentlichen Lebens. Selbst wer noch in den 1980er Jahren aufwuchs und sich für Kultur und Gesellschaft zu interessieren begann, kam an ihm nicht vorbei.
Blood, toil, tears and sweat – Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß: Mehr habe er der Regierung, dem Parlament und dem Volk nicht zu bieten, erklärte Winston Churchill am Pfingstmontag, dem 13. Mai 1940, unmittelbar nach seiner Ernennung zum Premierminister im Unterhaus.
Gut ein Jahr nach Beginn des Putinschen Angriffskrieges gibt es ein diffuses Bild, was die Parteinahme für die Kriegsparteien anbelangt. Während der Westen, militärisch verkörpert durch die Nato, eindeutig die Ukraine unterstützt, verhalten sich viele Staaten des Globalen Südens ausgesprochen indifferent und abwartend, was eine Verurteilung Russlands anbelangt.
Putins Angriffskrieg markiert auch eine Herausforderung für die deutsche Erinnerungskultur: Einst hatte die Rote Armee Auschwitz befreit, heute sterben ukrainische Holocaust-Überlebende durch russische Raketen.
Am 30. März 1898 hielt Wilhelm Wetekamp eine paradigmatische Rede im Preußischen Abgeordnetenhaus, die ihn zu einem Pionier des Naturschutzes in Deutschland machte. Bereits mehrfach hatte der liberale Politiker und Reformpädagoge versucht, den Parlamentariern und der Staatsregierung sein wichtiges Anliegen vorzutragen. Nun duldete es keinen Aufschub mehr.
Afrika fordert seine Kunstschätze zurück!“, lautet der Titel eines herausragenden „Arte“-Themenabends, der schon mehrfach wiederholt wurde. Das Thema ist seit Jahrzehnten aktuell, wie etwa das berühmte Buch von Michel Leiris„Phantôme Afrique“ nahelegt.
Viele Menschen sind in einem Menschen. Rafael Chirbes war schwul, kam von unten, war links. Er sah kein „Heilmittel gegen die Klassenherkunft“ und kämpfte um Bildung.
Indonesien, den Namen kennt man natürlich, aber von Geographie und Geschichte des Landes haben die meisten keine Ahnung. Nach der Lektüre dieses grandiosen Buches ist das anders.