Zehn Jahre »Wir schaffen das!«
Der migrationspolitische Diskurs wurde von den rechten und konservativen Kräften Europas derart ins Repressive verschoben, dass sich dem auch sozialdemokratische Parteien nicht mehr entziehen wollen.
Der migrationspolitische Diskurs wurde von den rechten und konservativen Kräften Europas derart ins Repressive verschoben, dass sich dem auch sozialdemokratische Parteien nicht mehr entziehen wollen.
Am 1. Juni hielt der chilenische Präsident Gabriel Boric zum letzten Mal seine jährliche Rede vor den beiden Parlamentskammern des südamerikanischen Landes, eine Tradition, die seit 1833 gepflegt wird. Nach dreieinhalb Jahren im Amt wirkte seine Rede bereits wie ein Abschied.
Der Kampf um die Gewaltenteilung in den USA geht in die nächste Runde. Nachdem US-Präsident Donald J. Trump die Bundespolizeibehörde ICE angewiesen hatte, die Zahl der Abschiebungen massiv auszuweiten, trägt er die Auseinandersetzung nun ins demokratisch regierte Kalifornien.
Angetrieben von der AfD, die die jüngsten Anschläge durch Asylbewerber nutzt, um immer weitere Verschärfungen in der Migrationspolitik zu fordern, schlittert die Bundesrepublik gegenwärtig in eine aktionistische Abschottungspolitik, die jegliche Expertise aus Wirtschaft und Wissenschaft ignoriert. Seit Jahren wird dadurch hierzulande verhindert, dass dringend notwendige Weichen in der Migrationspolitik neu gestellt werden.
An jedem Jahrestag erleben wir es aufs Neue: Politiker:innen treten ans Rednerpult mit ihrem inhaltsleeren „Nie wieder“, mit ihren salbungsvollen Sprüchen und ihrem aufgesetzten Mitgefühl. Obligatorische Jahrestage im Kalender, Beileidsreden geschrieben von der Assistenz, PR-Fotos abhaken, schnell zum nächsten Termin.
Beginnen möchte ich mit der Begegnung zweier berühmter Intellektueller, deren Leben sich für eine kurze Zeit in Frankfurt kreuzten und die dann beide ins Exil in die Vereinigten Staaten gingen: Ich meine Theodor W. Adorno und Hannah Arendt. Es gibt mehr Ähnlichkeiten zwischen ihnen, als man auf den ersten Blick meinen möchte.
Im Juni 1986 reisten wir aus der Islamischen Republik Iran in den „Geltungsbereich des Asylverfahrensgesetzes“ ein, wie es auf dem Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge steht, der viele Jahre die Wände meiner wechselnden Arbeitszimmer schmückte, bis ich entschied, dass die Zeit gekommen war, ihn abzuhängen.
Die zahlreichen Krisen der Europäischen Union, der Brexit, der Aufstieg von Autokratien und Autoritarismen, die Tatsache, dass Parteien mit faschistischer Ausrichtung oder mit Sympathien für den Nationalsozialismus wieder an die Macht kommen – all das sind Entwicklungen, die den Glauben an die universellen Menschenrechte und das Ideal des Friedens zwischen den Nationen, der durch eine normenbasierte internationale Ordnung erreicht werden sollte, erschüttert haben.
Im Sondierungspapier wird der bundesweite Einsatz der Bezahlkarte gefordert. Damit wird der national-autoritäre Umbau des Sozialstaats vorangetrieben. Denn bei der Bezahlkarte geht es letztlich darum, die Menschenwürde unter Nationalvorbehalt zu stellen.
Ein brennendes Haus in Solingen. Eine vierköpfige Familie stirbt in den Flammen. Brandstiftung. Die Schlagzeilen sind nicht von 1993, sondern von jetzt. Schon wieder.
Das jüngste TV-Duell zwischen dem thüringischen AfD-Chef Björn Höcke und dem CDU-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Thüringen, Mario Voigt, hat einmal mehr gezeigt: Im Zentrum der medialen Debatte über den sukzessiven Aufstieg der Alternative für Deutschland steht zumeist deren nationalchauvinistisches und rassistisches Profil.
Nach Erdoğans Sieg kam es in mehreren deutschen Städten zu Jubelfeiern und Autokorsos, bei denen seine Anhänger überschwänglich feierten wie nach einem Fußballturnier. Damit wurde Deutschland seinem Ruf als „Erdoğan-Hochburg“ einmal mehr gerecht.
Der britische Ruanda-Deal ist beschlossen. So werden Asylsuchende zu einer Art Ware und laufen Gefahr, nurmehr Figuren auf dem Schachbrett britischer und ruandischer Politik zu sein.
Bei den Parlamentswahlen vom vergangenen November gelang es der neuen Liste Religiöser Zionismus (HaTzionut DaDatit) elf Prozent der Stimmen und vierzehn Sitze in der Knesset zu erobern. Dahinter verbarg sich ein Bündnis extrem rechter Parteien.
Die Comickünstlerin Birgit Weyhe ist eine sehr genaue Beobachterin ihrer Umwelt. Sie braucht nur wenige prägnante Worte und Bilder, um die kleine Universitätsstadt im Mittleren Westen der USA, in der sie sich für eine Gastdozentur aufhält, auf den Begriff zu bringen: Mehr Kirchen als Supermärkte.
Rechte Ideologen sind ersichtlich auf dem Vormarsch, verkünden dabei aber das Gegenteil: Die angebliche Bedrohung, das sind „die Anderen“. Dieses Spiel sollten wir nicht mitspielen, denn es favorisiert die misogynen, heldenhaften Führerfiguren.
Selbst elf Jahre nach der Selbstenttarnung des rechtsterroristischen NSU sind dessen Unterstützungsnetzwerke noch immer nicht aufgeklärt. Das aber ist nicht dem »Versagen« der Sicherheitsbehörden geschuldet, sondern das Ergebnis politischer Entscheidungen und behördlicher Kontinuitäten.
Was verbindet den Viktor Orbán, rechte Demonstranten im amerikanischen Charlottesville und den Massenmörder Anders Behring Breivik? Sie alle stützen sich auf ein wirkmächtiges Phantasma: den „Großen Austausch“.
Wenn ich heute vor Ihnen stehe, fühle ich mich, wie ich mir vorstelle, dass sich Jona im Wal gefühlt haben muss: Verschluckt von einem großen Tier, ohne zu wissen, wie er einen Weg hinaus aus dem großen aufgewühlten Magen finden soll.
Haiti ist das erste Land Lateinamerikas, das sich von den kolonialen Zwängen befreite und Unabhängigkeit erlangte. Doch von Autonomie ist der Inselstaat derzeit weit entfernt.
Das Privileg ist zurück. Lange galt der Begriff als etwas verstaubt, wirkte aus der Zeit gefallen. Doch nun ist er wieder in aller Munde und munitioniert aktuelle Debatten.
Am 8. Mai 2021 war das Maß endgültig voll: Die baden-württembergischen Grünen beschlossen im Rahmen eines Parteitags, in dessen Fokus eigentlich der soeben mit der CDU ausgehandelte Koalitionsvertrag stehen sollte, ein Ausschlussverfahren gegen den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer einzuleiten. Sein letzter „Coup“ bestand in der Kombination von Sexismus und Rassismus in Bezug auf ein unbelegtes Zitat eines Fußballspielers.
Häufig wird der Vorwurf erhoben, Identitätspolitik führe zur Spaltung der Gesellschaft in Kleingruppen und Partikularinteressen. Das aber verkennt grundlegend die Bedeutung dieses Aktivismus.
Mit einiger Verzögerung hat sich die Auseinandersetzung mit Rassismus und kolonialer Geschichte inzwischen auch in Deutschland einen festen Platz innerhalb der Linken und im Feminismus erobert. Doch trotz des guten Willens herrscht noch viel Unwissenheit.
Wir sollten endlich damit aufhören, Rechtsextreme und Nazis verstehen und versöhnlich stimmen zu wollen – und stattdessen die demokratischen Prinzipien gegen sie verteidigen.