Mark Rutte: Krisengeschüttelt, aber konkurrenzlos
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte ist auf Rekordkurs und dürfte heute erneut die Parlamentswahlen gewinnen. Das ist gleich aus mehreren Gründen verwunderlich.
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte ist auf Rekordkurs und dürfte heute erneut die Parlamentswahlen gewinnen. Das ist gleich aus mehreren Gründen verwunderlich.
Der Jubel in Estland ist groß: Erstmals stehen zwei Frauen an der Spitze des nördlichsten der drei baltischen Staaten, der erst seit 1991 wieder unabhängig ist. Neben der seit 2016 amtierenden Staatspräsidentin Kersti Kaljulaid ist das seit dem 26. Januar Kaja Kallas, die als erste Premierministerin des Landes vereidigt wurde.
Recep Tayyip Erdoğan ist lange nicht so mächtig, wie der Westen gemeinhin annimmt. Der türkische Präsident ist einen Pakt mit den Nationalisten der MHP eingegangen – und ihnen inzwischen regelrecht ausgeliefert.
Hat die EU-Kommission falsch gehandelt, sich beim Kauf von Impfstoffen bzw. bei der Sicherung von Optionen zurückzuhalten und das Risiko zu streuen, wie nach Medienberichten nur allzu gerne verbreitet wird?
Das jahrelange Ringen ist vorbei – und das Vereinigte Königreich endgültig kein EU-Mitglied mehr. Kurz bevor zu Jahresbeginn eine Übergangsphase auslief, hatten die Regierungschefs der EU und das britische Parlament in halsbrecherischer Eile einem Handels- und Kooperationsvertrag zugestimmt, der am 1. Januar vorläufig in Kraft trat. Jedoch ist dieses Abkommen trotz seines Umfangs von fast 1300 Seiten in weiten Teilen unvollständig und lässt vieles, zu vieles offen. Zudem muss das EU-Parlament noch zustimmen; bis Ende Februar kann es Änderungen verlangen.
Trotz beeindruckender Demonstrationen konnten die Demonstrierenden den Langzeitdiktator Alexander Lukaschenko bisher weder zum Rücktritt zwingen noch Neuwahlen durchsetzen. Was also tun?
Zwei Monate lag der Beginn der Waffenruhe zwischen Armenien und Aserbaidschan zurück, da lud Russlands Präsident Wladimir Putin zu einem Treffen nach Moskau. Am 11. Januar begegneten sich dort erstmals wieder der armenische Premierminister Nikol Paschinjan und der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew wieder, nachdem sie sich zuletzt im Februar 2020 bei der Münchner Sicherheitskonferenz öffentlich einen Schlagabtausch geliefert hatten.
Google, Amazon oder Facebook verfügen über die zentralen Infrastrukturen unserer digitalen Gesellschaft. Dagegen bringt die EU endlich eine Verordnung auf den Weg: das Digital Service Package. Welche Folgen hat sie?
Zweifellos bestehen gravierende Unterschiede zwischen dem vor 150 Jahren gegründeten Kaiserreich und der Bundesrepublik. Doch es gibt auch überraschende Parallelen.
Kann man gleichzeitig vorwärts und rückwärts gehen? Kann man die Herausforderungen der Zukunft in den Blick nehmen, das Lenkrad zur Kehrtwende einschlagen – und gleichzeitig mit Vollgas geradeaus weiterfahren? Genau das macht gerade die Europäische Union.
Schwer ist es, über die zerklüftete, umkämpfte Gegenwart zu schreiben, in der die Politik noch nicht zur Geschichte geronnen ist. Der niederländische Autor Geert Mak versucht es trotzdem – und zwar mit großem Erfolg. Nach seinem vielgelesenen und mannigfach übersetzten Buch „In Europa. Eine Reise durch das 20. Jahrhunderts“ aus dem Jahr 2004 ist nun mit „Große Erwartungen. Auf den Spuren des Europäischen Traums“ die Fortsetzung erschienen, über die Jahre 1999 bis 2019.
Angriff ist die beste Verteidigung, lautet zunehmend auch außenpolitisch die Strategie des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Doch seine aggressive Außenpolitik erweist sich langfristig als katastrophal.
Ende September warteten britische Medien einmal mehr mit neuen Rekordmeldungen auf: Im letzten Monat, bevor herbstliche Witterung die See in der Meerenge von Dover aufwühlen würde, hatten fast 2000 Migranten in Schlauchbooten die Küste der Grafschaft Kent erreicht. Das sind mehr als im gesamten Jahr 2019, als 1892 Menschen registriert wurden. In diesem Jahr stieg ihre Zahl Monat für Monat; Anfang Oktober lag sie bei insgesamt etwa 7000. Eine „Invasion“ nennen das konservative Politiker und Boulevardzeitungen.
Anfang Oktober war die Freude bei Klima- und Umweltorganisationen in der EU groß: Das Europaparlament hatte sich erstmals mehrheitlich gegen die Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens ausgesprochen. Der Abstimmung ging eine intensive Auseinandersetzung über die ökologischen Folgen der geplanten Freihandelszone voraus, buchstäblich befeuert von den Bränden im Amazonas und der verheerenden Politik des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.
In jeder schweren Krise Europas taucht sie zuverlässig wieder auf: die Frage nach der europäischen Identität. Wer nach einem frischen Zugang zu dieser bisweilen ritualisiert wirkenden Debatte sucht, kommt am neuen Buch von Johny Pitts nicht vorbei.
An jedem Sonntagmorgen bietet sich derzeit in Minsk und anderen Orten in Belarus das gleiche Bild: Militärfahrzeuge fahren auf, Einsatzkräfte sperren staatliche Gebäude ab, Fahrzeuge ohne Kennzeichen und maskierte Männer in Uniform oder in Zivil formieren sich, der öffentliche Verkehr kommt zum Erliegen, das Internet wird heruntergefahren.
Wenn es jemanden gibt, der außer der Schutzmaskenindustrie und den Desinfektionsmittelherstellern von der Pandemie profitiert, dann die neue Regierung Irlands. Diese historische Koalition von Wahlverlierern ist Anfang Oktober 100 Tage im Amt. Viele Beobachter hatten ihr nicht so viel Zeit eingeräumt.
Ende des neunzehnten Jahrhunderts, als es die Künstler Europas auf der Suche nach dem Licht in die südliche Ferne zog, beherrschten europäische Staaten nahezu alle Erdteile. Sie ließen keine Gegend aus, die sich schwach und unorganisiert zeigte, um ihre Macht zu exerzieren und ihre Interessen durchzusetzen. Hinter ihren Machtdemonstrationen stand immer ein Zivilisationsanspruch, der bis heute von großer gesellschaftlicher und sozialpsychologischer Bedeutung ist.
Nach dem Motto »zwei Schritte nach vorn, einen Schritt zurück« normalisiert Orbán peu à peu seine autoritäre Politik. Seine Machtfülle hat viele Gründe – und auch die EU trägt dafür eine Verantwortung.
Wie kommunizierende Röhren vollzogen sich nach dem Mauerfall die deutsche und die europäische Einigung – und beide gerieten durch den Aufstieg des Rechtspopulismus in eine fundamentale Krise. Doch die EU-Politik infolge der Coronakrise hat beiden Prozessen eine zweite und vielleicht letzte Chance beschert.
Am Ende hat nicht viel gefehlt: Weniger als eine halbe Million der insgesamt rund 30 Millionen Wahlberechtigten machten bei der Stichwahl am 12. Juli ihr Kreuz häufiger bei Amtsinhaber Andrzej Duda (51 Prozent) anstatt bei dessen Herausforderer, dem Kandidaten der konservativ-liberalen Bürgerplattform (PO) Rafał Trzaskowski (49 Prozent).
Auf diesen Schritt haben viele Europäer lange gewartet: Deutschland, das über Jahre hinweg unerbittlich Sparvorgaben auf dem Kontinent durchgesetzt hat, will jetzt offensiv die europäische Solidarität stärken.
Der Ausnahmezustand erscheint nach relativ kurzer Zeit oft als neue Normalität. Das gilt insbesondere für Gesellschaften im permanenten Umbruch, wie die Coronakrise in Südosteuropa – also in jenen sechs EU-Erweiterungskandidaten auf dem Balkan[1] – deutlich vor Augen führt. Schritt für Schritt wurde dort vielerorts eine lebendige Demokratie durch eine Demokratiekulisse ersetzt. Das ist das Werk starker Männer und ihrer Machtstrukturen. Nennen wir sie hier einfach balkanische Illusionskünstler.
Wenn „Flatten the Curve“, also das Abflachen der Kurve, das erste Gebot staatlicher Pandemie-Bekämpfung ist, dann hat Spanien sein Ziel nur halb erreicht. Zwar konnte das von der Coronakrise besonders gebeutelte Land die Kurve der Infektionen erfolgreich senken: Vermeldete die Regierung Ende März knapp 8000 Neuinfektionen und bis zu 900 Covid-19-Tote pro Tag, so infizieren sich seit Mai täglich nur noch wenige hundert Menschen und die Zahl der Toten ist seit Juni in den zweistelligen Bereich gesunken – pro Woche.
Besonders in krisengeprägten Zeiten hat sich Europa mit dem Schwarzen Amerika identifiziert. Diese Tradition bietet allerdings nicht nur dem Minderwertigkeitskomplex Europas erheblichen Raum, sondern blendet zugleich den Rassismus diesseits des Atlantiks aus.