Das andere Deutschland. Thesen zu einer Tagung der Martin-Niemöller-Stiftung am 27./28.Oktober 1990 in Frankfurt/M.
Ist der Zug angekommen? Laut Fahrplan schon. Seit dem 3. Oktober sind wir ein Volk. Doch existiert bisher lediglich ein fahles Hinweisschild mit den frischen Lettern: Deutschland. Ansonsten wirkt das erst jüngst hinter uns gelassene Provisorium wesentlich solider, als die Großbaustelle, auf der wir uns nun befinden.
Die spanische Wiedervereinigung fand am 2. Januar 1492 statt, als das katholische Heer Granada eroberte, und damit das letzte Bollwerk des Islam auf der iberischen Halbinsel gefallen war. Ein Vierteljahr später unterschrieben die Katholischen Könige ein Edikt, das die Juden vor die Alternative stellte, sich taufen zu lassen oder innerhalb von vier Monaten Spanien zu verlassen.
Professor Wjatscheslaw Daschitschew vom Moskauer Institut für internationale wirtschaftliche und politische Studien (ehemals Institut für die Ökonomie des Sozialistischen Weltsystems) ist einer der profiliertesten sowjetischen Deutschlandexperten, der hierzulande u.a. mit unkonventionellen Auffassungen zur Frage der Einheit Aufmerksamkeit erregte.
Wieder einmal, wie schon vor 120 Jahren, wird ein deutscher Einheitsstaat gegründet. Aber in Politik wie Publizistik sind Vergleiche mit dem Bismarck-Reich nicht sonderlich populär, trotz der Berliner Ausstellung über den "eisernen Kanzler".
40 Jahre ARD - das Jubiläum sorgte im ersten Kanal für muntere Tupfer im Logo und ein paar Wiederholungen mehr. Was noch einmal gesendet werden sollte zu diesem Anlaß, hatte das Publikum zu entscheiden. Für jedes Genre wurden vier alte Sendungen zur Auswahl gestellt, wobei die Zahl der für einen Titel eingeschickten Postkarten entschied.
Die Situation der Deutschen nimmt sich im Sommer 1990 auf den ersten Blick hin beruhigend aus.
Nicht nur der Stalinismus, sondern der Sozialismus überhaupt ist gescheitert.
Zu den wenigen politischen Zugeständnissen, die die Regierung Kohl im Rahmen ihres Anschluß-Projekts bisher machen mußte, zählt die jüngste deutsch-deutsche Erklärung zur polnischen Westgrenze.
Seit fünf Jahren bereits hält der sowjetische Staatspräsident und KP-Generalsekretär Michail Gorbatschow den Westen und das westliche Militärbündnis in Atem. Die Veränderungen, die er bewirkt hat, haben zum Zusammenbruch der politischen und weltanschaulichen Grundlagen einer Epoche geführt und eine neue Ära eingeleitet.
Gar Alperovitz, Richard J. Barnet, Norman Birnbaum und Marcus G. Raskin im Gespräch mit Bernd Greiner Zu den bemerkenswerten Vorgängen der vergangenen Monate gehört der Umgang der amerikanischen Regierung mit der deutschen Frage.
Wir Deutschen haben keinen allgemein anerkannten nationalen Feiertag, keinen 14. juillet wie die Franzosen, für die der Sturm auf die Bastille und die Befreiung der dort Gefangenen ein Datum darstellt, an das die nationale Erinnerung anknüpfen kann. Eine Zeitlang hat man geglaubt, aus dem 17.
Der Autor dieses Beitrages, Todd Gitlin, lehrt als Professor für Soziologie an der University of California in Berkeley. Er ist mit einer maßgeblichen Untersuchung zum Thema der 68er Bewegung hervorgetreten ("The Sixties - Years of Hope, Days of Rage, New York 1987, Bantam).
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Zunächst mal finde ich die Frage in dieser spekulativen Form nicht gut. Weil ich denke, man sollte den Leuten jetzt Zeit geben, in einer offenen Situation - historisch offen, gesellschaftspolitisch, kulturell und überhaupt nach allen Himmelsrichtungen offen - auszuprobieren, wer sie wirklich sind.
"Einszweidrei im Sauseschritt läuft die Zeit, wir laufen mit", dichtete Wilhelm Busch.
Der hier und da bereits angekündigte "Abschied von der BRD" findet nach dem Ergebnis der Wahl vom 18. März denn doch nicht statt, oder wenigstens nicht so, wie vermutet.
Westliche Beobachter - ebenso wie sowjetische Publizisten - intensivierten von Beginn der Ära Gorbatschow an die Diskussion eines Kernthemas der "Sowjetologie", das Stephen Cohen auf die bündige Formel von den "Freunden und Gegnern von Veränderungen" brachte (Rethinking the Soviet Experience, Oxford 1985, Kapitel 5).
Im Dezember 1989 verabschiedete der außerordentliche Parteitag der SPD in Berlin ein neues Grundsatzprogramm.
Politische Vorstellungen gewinnen Wirkung und Wirklichkeit, wenn die Zeit für sie reif ist. Als vor über zwei Jahrzehnten der große Visionär de Gaulle von einem künftigen "Europa vom Atlantik bis zum Ural" sprach, erzeugte er damit einige Irritationen, doch keine nennenswerte politische Wirkung.