Autorinnen und Autoren Günter Giesenfeld

Im Folgenden finden Sie sämtliche »Blätter«-Beiträge von Günter Giesenfeld.

Günter Giesenfeld in den »Blättern«

Die Ruhe nach dem Sturm

Die 68er-Opposition, die 70er Jahre, der Terrorismus - diese Trendthemen kommerziell ausschlachten zu wollen, kann man Christian Petzolds neuestem Werk das als Parallele zu Schlöndorffs Die Stille nach dem Schuß gehandelt wird, nicht vorwerfen. Denn dazu ist Die innere Sicherheit ein viel zu ruhiger, leiser Film.

Von Tschechien lernen?

Kurz vor Weihnachten 2000 wurde der Direktor des tschechischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens Ceska Televize (CT) entlassen. Dies ist in Prag kein ungewöhnlicher Vorgang, kaum einer seiner Vorgänger hatte bislang die gesetzliche Amtszeit von sechs Jahren erreicht.

Big Brother, die zweite

Wie in den "Blättern" 4/00 nachzulesen, hatte ich geglaubt, dem neuen Sendeformat eine gewisse Faszination bescheinigen zu können. Abgesehen von allen Einschränkungen angesichts eines Veranstalters, der ausschließlich auf die Einschaltquote blickt, könnte das Ganze, so schien es, eine "authentische Färbung" haben.

Ecce homo

Der junge französische Filmemacher Bruno Dumont hat bislang zwei Filme gemacht: Das Leben Jesu und L'humanité, was übersetzt werden kann mit "Die Menschheit" oder "Die Menschlichkeit", aber bekanntlich auch der Name des Zentralorgans der französischen Kommunistischen Partei ist.

Die Anständigen sind die Unanständigen

Fast eine halbe Minute lang muß der Mafiaboß den Hals des Verräters mit einem Draht strangulieren, bis der aufhört, zu atmen. Tony Soprano, der mit dieser Tat seiner eigenen Ermordung zuvorgekommen ist, legt den Finger an die Halsschlagader, ob noch ein Puls zu spüren ist. Dann fährt er weg, seine Tochter abholen.

Anrüchige Erhabenheit

Als Brechts Stück "Die heilige Johanna der Schlachthöfe " 1959 fast dreißig Jahre nach seiner Entstehung - im Hamburger Schauspielhaus uraufgeführt wurde, da trug die Theaterkritik in der "Welt" die Überschrift: "Gründgens besiegt Brecht".

Genre-Bildchen

Die Verwandlung des abgeschlossenen DDR-Experiments in eine Genrekonvention fürs Kino ist offenbar nur in der Form der Komödie möglich. Leander Haußmanns Film Sonnenallee bringt für eine westlich-siegesgewisse Nachvereinigungs-Öffentlichkeit auf den Klischee-Begriff, was von der DDR im Verwertungsprozeß noch zum Plot-setting taugt.

Verlust der Neugier

Wochenlang konnte man in der Frankfurter Rundschau auf den Seiten, die der Kriegsberichterstatlung aus dem Kosowo gewidmet waren, täglich ein und dieselbe Notiz lesen. Unter der Überschrift "In eigener Sache" begleitete dieser Text wie ein Refrain jede Phase des Kriegsgeschehens.

An der Oberfläche gekratzt

Nach zwei Wochen ist der Film schon ins kleinere Kino abgeschoben worden. Late Show, der letzte Teil von Helmut Dietls medienkritischer Trilogie (nach Schtonck! gegen die Presse und Rossini gegen das Kino) ist trotz Reklamerummel und Klatschgeschichten und trotz des Aufgebots von TV-Stars wie Harald Schmidt und Thomas Gottschalk schon nicht mehr in den Charts.

Requisitärer Realismus

Liebe im Film ist mitunter lebensgefährlich, weil das die sentimentale Spannweite erhöht. W o d u r c h die Erfüllung vorübergehend in Frage gestellt oder ins Jenseits verlagert wird, das ist eigentlich ziemlich gleichgültig. Im Notfall tun es dramaturgische Krücken wie Krankheiten, Unfälle oder andere Katastrophen.

Charlie im KZ

Das Kino hatte schon immer die Angewohnheit, Sachen zu zeigen, die im realen Leben nicht gehen, und wir hatten schon immer eine große Freude daran, uns für ein paar Stunden glauben machen zu lassen, daß sie doch gehen. Es sei unmöglich, so ein allgemeiner Konsens, den Holocaust künstlerisch darzustellen, und doch wurde es immer wieder versucht.

Sarajevo in Scope

Der Film beginnt mit einem einfachen Schwarzweiß-Titel, der darauf hinweist, daß es sich um eine Channel-four-Produktion handele. Das erinnerte mich an eine Karikatur, die ein Kino mit einer Riesenleinwand zeigt, auf der in der Mitte ein ganz kleines Bild zu sehen war, worauf ein Zuschauer zum anderen sagt: "Oh, it's another channel-four-film" .

Heruntergekommen

Das Bild des Vietnamkriegs in Filmen und Fernsehserien der USA ist immer noch von jener Selbsttäuschung wider besseres Wissen geprägt, mit der die welt-führende Nation stets die eigene Geschichte verarbeitet hat, seitdem sie sich auch als die welt-leitende moralische Instanz fühlt und dies ihre Feinde blutig fühlen läßt.

Armageddönchen

Ein Fernsehjournalist, der sonst an allen Kriegsschauplätzen in vorderster Front lebensgefährliche Takes einfängt (wir sehen es wiederholt), wird mit der Live-Übertragung des Wiener Opernballs betraut, und prompt erlebt er die ungeheuerste Sensation seiner Karriere: 3 000 Menschen kommen beim Giftanschlag auf das Fest der Reichen um, darunter die gesamte Regierung des Landes

Der Unterleib des Lehrkörpers

Die Mensa, die Hörsäle und Seminarflure der Hochschulen seien "die größten Kontakthöfe Deutschlands", schreibt der "stern" und zitiert den Präsidenten der Hamburger Universität: "Das Studium ist ja eine Orientierungsphase des Lebens, da ist man allen Bereichen gegenüber aufgeschlossen.

Wim im Wunderland

Sam Fuller, der in Wim Wenders' neuem Film seine letzte Filmrolle spielte, hackt mit einem Finger auf einer alten Schreibmaschine herum. Sein Filmsohn (ein Polizeiinspektor) will ihm einen Computer richten, der alte Mann lehnt ab. Wim Wenders hätte dem Beispiel folgen sollen.

Trauma Mogadischu

Die Wut gegen den ausgemerzten Terrorismus der RAF, dessen Höhepunkte sich zum 20. Male jähren, verweist auf eine andauernde Sehnsucht nach geordneten Schwarzweiß-Verhältnissen ("Wir verzeihen nie" - "Focus"-Titelgeschichte vom 13. Oktober).